Der Begriff der Krankheit setzt einen anormalen, regelwidrigen (körperlichen, geistigen oder seelischen) Zustand voraus, erschöpft sich darin jedoch nicht. Wesentlich ist vielmehr auch die Auffassung der Gesellschaft und der jeweiligen Rechtskultur, die regelwidrige körperliche (geistige, seelische) Zustände oder Erscheinungen in einer unter Umständen dem geschichtlichen Wandel unterworfenen Weise unterschiedlich bewertet.[1]Krankheitskosten gehören regelmäßig zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen.[2] Aufwendungen zur Beseitigung von Umweltbelastungen, die Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs betreffen und von denen zumindest eine konkrete Gefahr für die Gesundheit von Menschen ausgeht, unterfallen allerdings nicht dem in ständiger Rechtsprechung entwickelten Begriff der Krankheitskosten.

Gleichwohl können Aufwendungen nach § 33 EStG auch dann steuermindernd zu berücksichtigen sein, wenn sie einem Steuerpflichtigen erwachsen, weil er gezwungen ist, eine konkrete, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehende Gesundheitsgefährdung zu beseitigen. Derartigen Aufwendungen kann der Steuerpflichtige aus tatsächlichen Gründen nicht ausweichen, wenn anderenfalls mit einem Schaden für seine Gesundheit oder die Gesundheit seiner Familie zu rechnen ist.

Aufwendungen zur Wiederbeschaffung oder Schadensbeseitigung können im Rahmen des Notwendigen und Angemessenen unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden:

  • Sie müssen einen existentiell notwendigen Gegenstand betreffen – dies sind Wohnung, Hausrat und Kleidung, nicht aber z.  B. ein Pkw oder eine Garage.
  • Der Verlust oder die Beschädigung muss durch ein unabwendbares Ereignis wie Brand, Hochwasser, Kriegseinwirkung, Vertreibung, politische Verfolgung verursacht sein, oder von dem Gegenstand muss eine Gesundheitsgefährdung ausgehen, die beseitigt werden muss und die nicht auf Verschulden des Steuerpflichtigen oder seines Mieters oder auf einen Baumangel zurückzuführen ist (z.  B. bei Schimmelpilzbildung).
  • Dem Steuerpflichtigen müssen tatsächlich finanzielle Aufwendungen entstanden sein; ein bloßer Schadenseintritt reicht zur Annahme von Aufwendungen nicht aus.
  • Die Aufwendungen müssen ihrer Höhe nach notwendig und angemessen sein und werden nur berücksichtigt, soweit sie den Wert des Gegenstandes im Vergleich zu vorher nicht übersteigen.
  • Nur der endgültig verlorene Aufwand kann berücksichtigt werden, d.  h. die Aufwendungen sind um einen etwa nach Schadenseintritt noch vorhandenen Restwert zu kürzen.
  • Der Steuerpflichtige muss glaubhaft darlegen, dass er den Schaden nicht verschuldet hat und dass realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht bestehen.
  • Ein Abzug scheidet aus, sofern der Steuerpflichtige zumutbare Schutzmaßnahmen unterlassen oder eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat.
  • Das schädigende Ereignis darf nicht länger als 3 Jahre zurückliegen, bei Baumaßnahmen muss mit der Wiederherstellung oder Schadensbeseitigung innerhalb von drei Jahren nach dem schädigenden Ereignis begonnen worden sein.[3]
 
Praxis-Beispiel

Aufwendungen zur Beseitigung von Gesundheitsgefährdungen

  • Aufwendungen für die Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses können als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein. Dabei ist die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen zur Beseitigung von Asbest nicht anhand der abstrakten Gefährlichkeit von Asbestfasern zu beurteilen; erforderlich sind zumindest konkret zu befürchtende Gesundheitsgefährdungen. Denn die Notwendigkeit einer Asbestsanierung hängt wesentlich von der verwendeten Asbestart und den baulichen Gegebenheiten ab. So haben Asbestzementprodukte einen vergleichsweise hohen Anteil an mineralischen Bindemitteln, weshalb die Asbestfasern relativ fest gebunden sind. Bei schwach gebundenen Asbestprodukten wie Spritzasbest ist die Gefahr einer Freisetzung aufgrund äußerer Einflüsse wie Erschütterungen und Alterung der Produkte hingegen höher.[4]
  • Bei Aufwendungen zur Beseitigung konkreter von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren ist ein vor Durchführung dieser Maßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nicht erforderlich.[5] Gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte, wobei es auch nicht unbedingt eines amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bedarf.[6] Etwas anderes folgt auch nicht aus den durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011[7] geänderten Anforderungen an den Nachweis außergewöhnlicher Belastungen. Denn bei der Sanierung von Gebäuden zur Beseitigung von Schadstoffen ist keiner der in § 64 Abs. 1 EStDV aufgezählten Fälle einschlägig. Dies gilt auch dann, wenn der Umstand von Bedeutung ist, dass die Sanierung zugunsten eines Kindes erfor...

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