9.1 Umsatzsteuer-Vorauszahlung als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe

Bei der Einnahmen-Überschussrechnung wird der Gewinn des Unternehmers nach dem sogenannten Zufluss-Abfluss-Prinzip ermittelt. Das heißt: Einnahmen und Ausgaben gehören grundsätzlich in das Geschäftsjahr, in dem sie tatsächlich zu- oder abgeflossen sind. Wird beispielsweise der Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt und zahlt ein Kunde eine offene Rechnung aus November 01 erst im Januar 02, handelt es sich um eine Einnahme des Jahres 02.

Aber auch hier gibt es mit § 11 EStG eine Ausnahmeregelung. Danach gelten regelmäßig wiederkehrende Einnahmen bzw. Ausgaben, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zu- oder abgeflossen sind, als im Kalenderjahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit entstanden.

9.1.1 Erfordernis der "kurzen Zeit"

Als "kurze Zeit" in diesem Sinne gelten 10 Tage. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung von Literatur und Finanzverwaltung müssen die Einnahmen bzw. Ausgaben innerhalb dieser kurzen Zeit sowohl fällig geworden als auch entstanden worden sein. Den Grundsatz dieser Auffassung hat der BFH bereits mit seinem Urteil vom 9.5.1974[1] gebildet, welcher von der Finanzverwaltung und weiteren Rechtsprechung übernommen worden.

Mit Urteil des 10. Senats des BFH vom 16.2.2022,[2] bestätigt dieser nunmehr noch einmal das Fälligkeitserfordernis bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben und schließt sich damit der herrschenden Meinung an. Hiernach ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 EStG zwar kein Erfordernis für eine Fälligkeit innerhalb der "kurzen Zeit", aber das Gesetz schließt eine solche auch nicht wortwörtlich aus. Es ist somit nach der systematischen und teleologischen Erwägung die Anwendung so vorzunehmen, dass sowohl die Fälligkeit als auch die Zahlung innerhalb eines kurzen Zeitraums vor bzw. nach Beendigung des Kalenderjahres ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit vorliegen müssen.[3]

9.1.2 Voraussetzung "regelmäßig wiederkehrend"

Regelmäßig wiederkehrend sind laufende Einnahmen (z. B. Mieteinnahmen) bzw. Ausgaben (z. B. Telefonrechnung). Auch die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gelten für den Unternehmer als regelmäßig wiederkehrende Einnahmen bzw. Ausgaben und unterliegen damit den Regelungen des § 11 EStG. Dies hat zur Folge, dass auch diese – bei Vorlage aller Voraussetzungen – auch bei der Gewinnermittlung nach Einnahmen-Überschuss-Rechnung periodengerecht abzugrenzen sind.[1]

Alle Voraussetzungen "Zufluss bzw. Abfluss", "kurze Zeit" und "regelmäßig wiederkehrend" müssen hierbei kumulativ erfüllt sein:

  • Zu- bzw. abgeflossen gelten Einnahmen bzw. Ausgaben, wenn die wirtschaftliche Verfügungsmacht bei einem Zufluss von Geld erlangt worden bzw. bei Abfluss verloren gegangen ist.
  • Die Voraussetzung der "kurzen Zeit" gilt als erfüllt, wenn die regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen/Ausgaben innerhalb des 10-Tages-Zeitraumes fällig und geleistet worden sind.[2]
  • Bei Steuerzahlungen deren Fälligkeit nach § 108 Abs. 3 AO hinausgeschoben ist, kann eine Zuordnung zum Wirtschaftsjahr ihrer Entstehung nur dann vorgenommen werden, wenn die Zahlung dennoch innerhalb des 10-Tages-Zeitraums geleistet wurde.[3]

     
    Praxis-Beispiel

    Wie Zu- und Abflussprinzip Anwendung finden

    Unternehmer Pots ermittelt seinen Gewinn nach Einnahmen-Überschussrechnung. Für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen nimmt er die Dauerfristverlängerung nicht in Anspruch.

    Die Frist zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 01 und deren Zahlung ist daher der 10.1., welcher im Jahr 02 auf einen Sonntag fällt. Die Frist wird daher gem. § 108 Abs. 3 AO auf Montag, den 11.1. hinausgeschoben.

    Pots sendet seine Umsatzsteuer-Voranmeldung bereits am Freitag, den 8.1. digital an das Finanzamt und überweist die sich ergebende Zahllast über per Sofort-Überweisung elektronisch an das Finanzamt. Die Abbuchung auf seinem Konto erfolgt entsprechend noch am 8.1.

    Die Voraussetzungen des § 11 EStG sind mithin kumulativ erfüllt:

    Die regelmäßig wiederkehrende Zahlung (Umsatzsteuer) wurde innerhalb kurzer Zeit nach dem Jahresende fällig (10.1.) und ist auch abgeflossen (8.1.). Pots erfasst die Umsatzsteuer-Zahllast demnach in seiner Buchhaltung bereits als Betriebsausgabe für den Monat Dezember 01.

 
Praxis-Tipp

Was bei Einzugsermächtigung gilt

Wurde dem Finanzamt eine Einzugsermächtigung per Lastschriftverfahren erteilt, gilt nach dieser OFD-Verfügung die Umsatzsteuer-Vorauszahlung bei fristgerechter Abgabe der Voranmeldung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit als abgeflossen, es sei denn, das Konto weist keine ausreichende Deckung auf.

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