OFD Chemnitz, 24.01.2000, S 7170 - 24/2 - St 34

Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 29.10.1999 und vom 10.11.1999

2 BvR 1264/90, 2BvR 1820/92 und BvR 2861/93

Gem. § 4 Nr. 14 UStG sind die Umsätze aus einer vergleichbaren Tätigkeit bisher nur dann steuerfrei, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (Abschn. 90 Abs. 2 UStR 2000):

  • Vergleichbarkeit der Tätigkeit mit einem oder mehreren der im Gesetz genannten Katalogberufe,
  • Vergleichbarkeit der Ausbildung mit einem oder mehreren Katalogberufen,
  • vergleichbare berufsrechtliche (d. h. gesetzliche) Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung, sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausbildung mit einem oder mehreren Katalogberufen.

Mit den Beschlüssen vom 29.10.1999 (2 BvR 1264/90) und 10.11.1999 (2 BvR 1820/92) hat das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerden eines Heileurythmisten und eines medizinischen Fußpflegers zur Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG entschieden, dass es dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG widerspreche, wenn zur Beurteilung der Vergleichbarkeit eines Berufs mit den Katalogberufen des § 4 Nr. 14 UStG allein auf das Vorhandensein berufsrechtlicher Regelungen abgestellt wird. Die berufsrechtliche Regelung sei kein eigenständiger Differenzierungsgrund, von dessen Vorliegen die Ähnlichkeit mit einer „heilberuflichen Tätigkeit” im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG allein abhängig zu machen. Eine berufsrechtliche Regelung mag geeignet sein, die berufliche Qualifikationshöhe einzuschätzen. Das Fehlen einer solchen gibt jedoch für sich genommen noch keinen ausreichenden Anhalt dafür, eine Ähnlichkeit mit einem in § 4 Nr. 14 UStG genannten Beruf zu verneinen und die Berufstätigkeit von der umsatzsteuerlichen Begünstigung auszunehmen. Da Zweck der Befreiungsvorschrift die Entlastung der Sozialversicherungsträger sei, sei die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht zu versagen.

Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss vom 10.11.1999 (2 BvR 2861/93) im Fall eines Sanatoriums in der Rechtsform der GmbH & Co. KG entschieden, dass es gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG aufgrund der Rechtsform des Unternehmers zu versagen. Die Rechtsform, in der eine Leistung von einem Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes erbracht wird, ist kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung. Der umsatzsteuerliche Belastungsgrund ziele auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers. Der Zweck der Umsatzsteuerbefreiung sei die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer. Der umsatzsteuerliche Belastungsgrund und Entlastungszweck hätten damit keinen Bezug zur jeweiligen Rechtsform unternehmerischer Betätigung. Somit sei kein sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich, der GmbH & Co. KG die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG mit Hinweis auf die Rechtsform zu versagen.

Somit kann an dem bisherigen Tatbestandsmerkmal der gleichwertigen berufsrechtlichen Regelungen nicht mehr uneingeschränkt festgehalten werden. Die derzeitige Verwaltungsauffassung in Abschn. 90 UStR 2000 bedarf einer Ergänzung, um eine Anwendung der Regelung des § 4 Nr. 14 UStG im Einklang mit den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zu ermöglichen.

Ich bitte, entsprechende Fälle – auch soweit sie noch nicht streitbefangen sind – zunächst offen zuhalten.

Verfügung vom 25.05.2001, S 7170-24/4-St 34

Mit Bezugsverfügung hatte ich wegen der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 29.10.1999 – 2 BvR 1264/90 und vom 10.11.1999 – 2 BvR 2861/93; 2 BvR 1820/92 gebeten, entsprechende Fälle zur Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG – auch soweit sie nicht streitbefangen waren – zunächst offen zu halten.

Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Schreiben vom 28.02.2000 – IV D 2 – S 7170 – 12/00 zur Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG Stellung genommen (BStBl.2000 I S. 433). In Ergänzung der Regelungen in Abschn. 90 UStR gilt nunmehr Folgendes:

Ein Beruf ist nach Abschn. 90 Abs. 2 UStR 2000 einem der im Gesetz genannten Katalogberufe ähnlich, wenn das typische Bild des Katalogberufes mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufes vergleichbar ist. Zu den wesentlichen Merkmalen gehören:

  • die Vergleichbarkeit der ausgeübten Tätigkeit,
  • die Vergleichbarkeit der Ausbildung,
  • die Vergleichbarkeit der berufsrechtlichen Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie der staatlichen Erlaubnis und Überwachung der Berufsausbildung.

Ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit ist die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gem. § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen.

Auf die Rechtsform des Unternehmers kommt es für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht an. So kann auch ein in der Rechtsform einer GmbH oder GmbH & Co. KG betriebenes Unternehmen bei Vorliegen ...

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