Durch die Umsatzsteuer-Sonderprüfung soll erreicht werden, dass steuerpflichtige Leistungen sachlich und zeitlich zutreffend besteuert, Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen nicht zu Unrecht in Anspruch genommen und keine Vorsteuerbeträge unberechtigt abgezogen oder vergütet werden. Die Prüfung soll sich jeweils auf bestimmte Sachverhalte beschränken. Unabhängig von dem Turnus der allgemeinen Betriebsprüfung werden Umsatzsteuer-Sonderprüfungen zeitnah durch Umsatzsteuer-Sonderprüfer vorgenommen. Da die Anrechnung und die Erstattung der Vorsteuern bereits im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren erfolgen, will die Finanzverwaltung mit der Prüfung zweifelhafter Fälle nicht bis zur Berechnung/Festsetzung der Jahresumsatzsteuer oder bis zur Durchführung einer Betriebsprüfung warten. Nach § 1 Abs. 2 Betriebsprüfungsordnung (BpO) sind bei der Durchführung von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen die §§ 512, 2024, 29 und 30 der BpO mit Ausnahme des § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO anzuwenden.[1] Die Sonderprüfung dient also in erster Linie rein fiskalischen Interessen. Trotzdem sollte und kann der betroffene Unternehmer eine solche Prüfung nutzen, Zweifelsfälle oder spezielle Fragen mit dem Prüfer zu besprechen, um so auch der Gefahr vorzubeugen, dass das Finanzamt bestimmte Sachverhalte später – zuungunsten des Unternehmers – anders beurteilt.

Geprüft werden nur Unternehmer i. S. d. § 2 UStG mit ihrem Unternehmen. Dabei muss beachtet werden, dass der Unternehmerbegriff sämtliche Tätigkeiten gegen Entgelt umfasst, für die der Betreffende nicht als Arbeitnehmer angesehen werden kann. Deshalb sind vom Unternehmerbegriff insbesondere auch Vermieter von Wohnraum umfasst und andere Personen, die regelmäßig überwiegend steuerfreie Umsätze erzielen, wie z. B. Ärzte oder Versicherungsvertreter.

Vorsteuerüberschüsse/Erstattungen werden in der Praxis nicht ausgezahlt, solange das Finanzamt der Steuerfestsetzung nicht zugestimmt hat.[2] Damit ist für den Unternehmer Liquidität gebunden. Das Finanzamt kann die Zustimmung – neben einer Sicherheitsleistung[3] – auch von einer Sonderprüfung abhängig machen.

1.1 Kriterien für Umsatzsteuer-Sonderprüfungen

Grundsätzlich wird ein Unternehmer nicht "zufällig" einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung unterworfen. Die Finanzbehörde ordnet eine solche Prüfung an, wenn sie aufgrund bestimmter Merkmale und Informationen aus dem zu prüfenden Unternehmen dazu Anlass sieht. Das Finanzamt unterscheidet hier zwischen sog. Erstprüfungen und Bedarfsprüfungen.

Unter Erstprüfung versteht das Finanzamt die erstmalige Prüfung eines Unternehmens oder die erstmalige Prüfung einer in dem Unternehmen neu aufgenommenen Umsatztätigkeit. Sieht das Finanzamt bei schon laufendem Geschäftsbetrieb eines Unternehmens Anlass zu einer Außenprüfung, spricht es von einer Bedarfsprüfung.

Mit den Erstprüfungen will das Finanzamt Fehler bei sich wiederholenden Geschäftsvorfällen frühzeitig abstellen. Der Zweck der Prüfungen liegt vornehmlich darin festzustellen, ob die tatsächliche Durchführung und Abwicklung von Umsätzen mit Belegen und Aufzeichnungen übereinstimmt. Der Unternehmer sollte verstärkt mit einer solchen Prüfung rechnen, wenn bei seiner unternehmerischen Tätigkeit z. B. ein oder mehrere der folgenden Kriterien auftreten:

  • Vorsteuerabzug[1]

    • außergewöhnlich hohe Vorsteuerbeträge
    • Vorsteuerabzug bei Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen für Umsätze, die trotz Steuerfreiheit zum Vorsteuerabzug berechtigen (z. B. innergemeinschaftliche Lieferungen, Ausfuhrlieferungen)
    • Vorsteuerdifferenzen aufgrund von Verprobungen
    • branchen-/unternehmensatypische oder ungeklärte vorsteuerbelastete Leistungsbezüge
    • Vorsteuerausschluss/Vorsteueraufteilung (z. B. bei teilunternehmerischer Verwendung von Wirtschaftsgütern oder Verwendung von Leistungsbezügen für nicht unternehmerische Zwecke/den nicht unternehmerischen Bereich)
    • Anschaffung bebauter Grundstücke oder Herstellung von Gebäuden und Erklärungen über die Verwendungsabsicht
    • Rechnungen vermeintlicher Scheinfirmen, Zweifel an dem in einer Rechnung ausgewiesenen Leistungsinhalt oder formale Mängel einer Rechnung
    • Erwerb neuer Fahrzeuge (Abgrenzung zum nichtunternehmerischen Bereich/Fahrzeugeinzelbesteuerung)
  • Vorsteuerberichtigungen[2]

    • Grundstücksveräußerungen und -entnahmen
    • erstmalige Anwendung bzw. Änderung des Verwendungsschlüssels bei gemischt genutzten Grundstücken und beweglichen Wirtschaftsgütern
  • Neugründung von Unternehmen/Firmenmantelkauf[3]

    • erhebliche Vorsteuerüberschüsse im zeitlichen Zusammenhang mit der Neugründung
    • Unternehmereigenschaft, insbesondere bei Personen oder Gesellschaften, die nach Vorbereitungshandlungen keine Umsätze tätigen
    • Verträge des Unternehmers mit Anteilseignern, Gesellschaftern, Mitgliedern oder nahe stehenden Personen (z. B. Gestaltungsmissbrauch bei Vermietung, Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage)
    • Vermietung von Freizeitgegenständen (z. B. Wohnmobile, Segelschiffe)
  • Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen für Umsätze mi...

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