Rz. 2

Das System des gegenwärtigen Umsatzsteuerrechts wurde zum 1.1.1968 in der Bundesrepublik eingeführt. Die Steuer (mit Verkehrsteuer- wie auch Verbrauchsteuermerkmalen) soll den Endverbrauch von Lieferungen und sonstigen Leistungen belasten. Um das Steueraufkommen zu sichern, wird die Steuer aber nicht lediglich auf der letzten Stufe – bei Übergang der Leistung an den Endverbraucher – erhoben, vielmehr wird der gesamte Weg einer Leistung[1] über alle vorausgehenden Umsatzstufen auf Unternehmensebene in die Steuererhebung einbezogen. Durch das Recht auf den sogenannten Vorsteuerabzug auf der jeweiligen unternehmerischen Folgestufe wird erreicht, dass die Steuer bei den unternehmerischen Vorstufen wie ein durchlaufender Posten wirkt (Ziel: Neutralität der Umsatzsteuer auf Unternehmensebene, kein Einfluss der Umsatzsteuer auf die Preiskalkulation), um dann in endgültiger Höhe den Endverbraucher zu belasten. Dieses aufwendige revolvierende Finanzierungssystem zur definitiven Erhebung der Steuer führt sowohl bei den Unternehmen zu erheblichen Verwaltungsarbeiten, belastet aber auch die öffentliche Verwaltung (Finanzämter, Finanzkassen: Überwachung und Prüfung der zahlreichen Erklärungen und Meldungen, Auszahlung von Vorsteuerüberhang, Durchführung von Regelprüfungen und Sonderprüfungen). Da die jeweilige "Erstattung" der Vorsteuer (= Umsatzsteuer der vorausgehenden Stufe) an das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung i. S. d. § 14 UStG und des § 14a UStG (s. Rz. 2.1) geknüpft ist,[2] entsteht auch hier ein erheblicher Überwachungsaufwand.

 

Rz. 3

Die Umsatzbesteuerung des grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehrs soll weitgehend nach dem sogenannten Bestimmungsland-Prinzip erfolgen. Dies bedeutet, dass die steuerbaren Leistungen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen[3] mit der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes belastet werden und von der Steuer des Ursprungslandes befreit sind oder die Leistungen von vornherein nur im Bestimmungsland steuerbar sind. Der Endverbraucher soll mit der Umsatzsteuer in Höhe des geltenden Umsatzsteuersatzes in seinem Ansässigkeitsstaat belastet werden, unabhängig davon, ob er aus- oder inländische Waren bezieht oder Dienstleistungen eines aus- oder inländischen Unternehmers in Anspruch nimmt.

(Waren-)Ausfuhren in Drittländer[4] und sogenannte innergemeinschaftliche (Waren-)Lieferungen an Unternehmer[5] sind im Inland steuerfrei gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. a, b UStG i. V. m. § 6 UStG und § 6a UStG. Innergemeinschaftliche Erwerbe und Einfuhren aus Drittländern sind dagegen im Bestimmungsland (Inland) steuerbar und steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 1 Nrn. 4, 5 UStG i. V. m. § 1a UStG. Sie unterliegen der sog. Einfuhr-Umsatzsteuer bzw. der Erwerbsteuer, die gleichzeitig als Vorsteuer zum Abzug gebracht werden kann (Neutralität der Umsatzsteuer auf Unternehmensebene).

Dienstleistungen (sonstige Leistungen) sind gemäß § 3a UStG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG oft im Bestimmungsland steuerbar (und mangels Befreiung steuerpflichtig) und damit im Ursprungsland nicht steuerbar.[6]

Sonstige Leistungen, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen (sog. B2B-Leistungen) ausgeführt werden, gelten gemäß § 3a Abs. 2 UStG grundsätzlich[7] als am Sitz des Leistungsempfängers ausgeführt und sind damit im Bestimmungsland steuerbar. Durch die Umkehr der Steuerschuldnerschaft ("Reverse Charge-Verfahren") nach § 13b UStG übernimmt i. d. R. der unternehmerische Leistungsempfänger die umsatzsteuerliche Abwicklung – ähnlich wie beim Warenverkehr durch Einfuhrumsatzsteuer und Erwerbssteuer.

Diese geltenden Regelungen des grenzüberschreitenden Waren – und Dienstleistungsverkehrs im europäischen Binnenmarkt sind als Übergangsregelung ausgestaltet. Mit der Zug um Zug umzusetzenden EU-Mehrwertsteuerreform soll letztendlich eine einheitliche, verfahrenstechnisch vereinfachte und auch betrugsicherere Umsatzbesteuerung im jeweiligen Bestimmungsland erfolgen.

 

Rz. 4

Das Recht zum Vorsteuerabzug setzt voraus, dass die Lieferung oder sonstige Leistung für das Unternehmen ausgeführt wurde bzw. der erworbene Vermögensgegenstand (u. U. auch bei zum Teil nichtunternehmerischer Nutzung) dem Unternehmensvermögen zugeordnet worden ist. Dies ist bei Lieferungen, Einfuhren oder innergemeinschaftlichen Erwerben von Gegenständen mit einer unternehmerischen Nutzung von weniger als 10 % gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht möglich.[8]

Lieferungen vertretbarer Sachen und sonstige Leistungen sind im Verhältnis der beabsichtigten unternehmerischen Nutzung dem Unternehmensvermögen zuzuordnen.[9] und die anteilige Vorsteuer geltend zu machen. Es besteht ein Aufteilungsgebot.

Bei einheitlichen Gegenständen ist im Fall der teilunternehmerischen unternehmensfremden Verwendung sowohl eine vollständige als auch eine teilweise (im Verhältnis der unternehmerischen Verwendung) Zuordnung zum Unternehmen möglich (Zuordnungswahlrecht). Auch das gänzliche Belassen im nichtunternehmerischen Bereich in zulässig (Abschn. 15.2c Abs. 2 Nr. 2b USt...

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