Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entsteht eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) in ein anderes Unternehmen (Organträger) finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist. Bislang führte nach der älteren BFH-Rechtsprechung und der Verwaltungsauffassung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein über das Vermögen des Organträgers nicht zwingend zur Beendigung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. Auch wenn der Organträger von einem Insolvenzverwalter geführt werde, bleibe die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft grundsätzlich unberührt.[1]

Dies sieht der BFH jedoch inzwischen anders. Nach der geänderten BFH-Rechtsprechung endet die Organschaft spätestens mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen entweder der Organgesellschaft oder des Organträgers. Danach kann bei einer Insolvenz der Organgesellschaft der Organträger nicht mehr als Steuereinnehmer der Organgesellschaft tätig werden, weil deren Vermögen seinem Zugriff entzogen ist. Bei einer Insolvenz des Organträgers übernimmt der Insolvenzverwalter die Befugnis über das Vermögen des Organträgers, sodass die Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers nicht mehr gegeben ist. Hieran ändert auch die Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nichts. Der Organträger hat auch in diesem Fall keine Möglichkeit mehr, sich in der Organgesellschaft durchzusetzen, denn statt des Organträgers obliegt es bei der Eigenverwaltung dem Sachwalter, die Geschäfte zu überwachen. Folglich endet nach der Ansicht des BFH auch dann die Organschaft mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.[2] Unter Berufung auf die geänderte BFH-Rechtsprechung vertritt die Verwaltung nunmehr die Auffassung, dass die Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch über das Vermögen der Organgesellschaft stets zur Beendigung der umsatzsteuerrechlichen Organschaft führt. Bei der Bestellung eines sog. halbstarken vorläufigen Insolvenzverwalters endet nach der Verwaltungsauffassung die umsatzsteuerrechtliche Organschaft bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den maßgeblichen Einfluss auf den Schuldner erhält und eine Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger nicht mehr möglich ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners aufgrund eines Zustimmungsvorbehalts nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO verhindern kann.[3]

Bei vor dem 1.1.2021 angeordneten vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren beendeten weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft eine Organschaft, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmte, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erließ.[4]

Aufgrund einer Änderung des § 55 Abs. 4 InsO durch das SanInsFoG[5] sind die vorstehenden Grundsätze bei nach dem 31.12.2020 angeordneten vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren grundsätzlich nicht mehr anwendbar. Nunmehr gilt in dem Zeitraum zwischen der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung oder der Anordnung vorläufiger Maßnahmen nach § 270c Abs. 3 InsO und der Verfahrenseröffnung, dass der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners haben. Die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung ist in dieser Zeit ebenfalls nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt. Die Verwaltung hat deshalb klargestellt, dass die erst im März 2021 getroffene Regelung[6], wonach weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft unter den genannten Bedingungen die Organschaft beendet, nicht für Insolvenzverfahren gilt, die nach dem 31.12.2020 beantragt werden. Allerdings ist nach § 5 Abs. 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz § 276a InsO im Jahr 2021 nicht anzuwenden, wenn die Überschuldung auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. In diesem Ausnahmefall gilt die alte Rechtslage weiter. Abschn. 2.8 Abs. 12 UStAE wurde entsprechend ergänzt.[7]

 
Hinweis

Starker, schwacher und halbstarker vorläufiger Insolvenzverwalter

Nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO kann vom Insolvenzgericht zur Sicherung der Vermögensmasse bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt werden. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch gemacht, wenn das Gericht das Vorhandensein einer schutzbedürftigen Masse vermutet. Vorläufige Insolvenzverwalter sind nicht als Steuersubjekt zu betrachten. Vielmehr sind die im Rahmen ihrer Tätigkeit erbrachten steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze allein dem Schuldner zuzurechnen. Das Insolvenzgericht kann entsche...

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