OFD Berlin, 9.5.2000, St 136 - S 7100 - 10/99

 

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Mit Urteilen vom 29.10.1999, 2 BvR 1264/90 (Umsätze eines Heileurythmisten, veröffentlicht im BStBl 2000 II S. 155) und vom 10.11.1999, 2 BvR 1820/92 (Umsätze eines Fußpflegers, veröffentlicht im BStBl 2000 II S. 158) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß es im Hinblick auf den Gesetzeszweck, die Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer zu entlasten, gegen das Gleichbehandlungsgebot desArtikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verstoßen, eine Umsatzsteuerbefreiung nur aufgrund der fehlenden bzw. nicht ausreichenden berufsrechtlichen Regelung zu versagen.

Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls mit Urteil vom 10.11.1999 (2 BvR 2861/93, veröffentlicht im BStBl 2000 II S. 160) im Fall eines Krankenhauses in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG entschieden, daß es gegen das Gleichbehandlungsgebot desArtikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verstoßen eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG aufgrund der Rechtsform des Unternehmers zu versagen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit den o.g. Urteilen die Verfahren an den BFH zurückverwiesen.

 

Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

Der BFH hat mit Urteil vom 4.3.1998, XI R 53/96, BStBl 2000 II S. 13 entschieden:

Die Umsätze einer GmbH aus ambulanter Zahnbehandlung, die der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer als approbierter Zahnarzt ausführt, sind nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.

Der BFH begründet diese Auffassung mit der Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG im Sinne des Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG, der die Steuerfreiheit für die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, vorsieht.

Die Rechtsprechung des BFH vom 4.3.1998 steht im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 13.7.1994, XI R 90/92, BStBl 1995 II S. 84; hiernach waren die Umsätze aus der heilberuflichen Tätigkeit der Personengesellschaft nur steuerfrei, wenn alle Gesellschafter die erforderliche Qualifikation besitzen.

 

Auswirkungen der Verfahren auf Fälle des § 4 Nr. 14 UStG

Die Auswirkungen der drei Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts sowie des BFH-Urteils zu den Umsätzen einer Zahnärzte GmbH wurden auf Bund/Länder-Ebene besprochen.

Aufgrund der Erörterung in der Sitzung USt V/99 wurde beschlossen, das BFH-Urteil vom 4.3.1998, XI R 53/96, BStBl 2000 II S. 13 zu veröffentlichen. Da kein Nichtanwendungserlaß herausgegeben wurde, ist es auf vergleichbare Fälle anzuwenden.

Im Rahmen der Sitzung USt I/2000 wurden die drei Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 29.10.1999 und vom 10.11.1999 erörtert.

Die Vertreter des Bundes und der Länder sprachen sich dafür aus, die Beschlüsse im Anhang zum BStBl Teil II zu veröffentlichen und zeitgleich ein erläuterndes BMF-Schreiben im BStBl Teil I bekanntzugeben. Die Veröffentlichungen sind zwischenzeitlich erfolgt.

 

Inhalt des BMF-Schreibens vom 28.2.2000, IV D 2 – S 7170 – 12/00, BStBl 2000 I S. 433

Die Umsätze aus der Tätigkeit der in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG nicht ausdrücklich genannten Heil- und Heilhilfsberufe (Gesundheitsfachberufe) können nur dann unter die Steuerbefreiung fallen, wenn es sich um eine einem Katalogberuf ähnliche heilberufliche Tätigkeit handelt.

Ein Heilberuf wird durch die unmittelbare Arbeit am oder mit dem Patienten, also dem kranken Menschen, gekennzeichnet. Eine Ausübung der Heilkunde liegt vor, wenn es sich um Tätigkeiten zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder sonstigen Körperschäden beim Menschen handelt.

Aufgrund der Erörterungen auf Bund/Länder-Ebene und der Rechtsprechung gilt in Ergänzung der Regelung in Abschnitt 90 der UStR 2000 folgendes:

Ein Beruf ist nachAbschn. 90 Abs. 2 UStR 2000 einem der im Gesetz genannten Katalogberufe ähnlich, wenn das typische Bild des Katalogberufes mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist.

Wesentliche Merkmale sind:

  1. die Vergleichbarkeit der ausgeübten Tätigkeit,
  2. die Vergleichbarkeit der Ausbildung,
  3. die Vergleichbarkeit der berufsrechtlichen Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie der staatlichen Erlaubnis und Überwachung der Berufsausbildung.

Ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit ist die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen.

Aufgrund der Rechtsprechung zur Zahnärzte-GmbH und zum Krankenhaus in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG kommt es auf die Rechtsform des Unternehmers für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht an. So kann auch ein in der Rechtsnorm der GmbH & Co. KG betriebenes Unternehmen bei Vorliegen der Voraussetzungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG in Anspruch nehmen.

Es wird um Beachtung gebeten, daßAbschn. 88 Abs. 1 Satz 4 der UStR 2000 insoweit nicht mehr anzuwende...

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