Leitsatz

1. Die in einem Feststellungsbescheid i.S. des § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG enthaltene Regelung, dass Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter gemäß § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtig sind, ist für die Steuerfestsetzung des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters bindend (§ 182 Abs. 1 AO). Bei Bestandskraft des Feststellungsbescheids kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die Hinzurechnung dieser Einkünfte unionsrechtlichen Grundfreiheiten widerspricht. Ein Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3 AO) mit einem solchen Feststellungsgegenstand kommt nicht in Betracht.

2. Diese Bindungswirkung verstößt nicht ihrerseits gegen Unionsrecht.

 

Normenkette

§ 7, § 18 AStG, § 179 Abs. 3, § 182 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft, ist Rechtsnachfolgerin der Y GmbH, einer inländischen (konzernangehörigen) Gesellschaft. Die Y GmbH war im Streitjahr (1998) zu 99,9999 % unmittelbar und zu 0,0001 % mittelbar an der B mit Sitz in Belgien beteiligt. Im März 2000 erließ das FA gegenüber der Klägerin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997/Feststellungsjahr 1998, in welchem er auf die Y GmbH entfallende Einkünfte der B aus passivem Erwerb sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen (§ 10 Abs. 1 AStG) feststellte. Diese Besteuerungsgrundlagen wurden der Körperschaftsteuerfestsetzung der Y GmbH für 1998 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zugrunde gelegt.

Nach einer Außenprüfung änderte das FA im Jahr 2003 den Feststellungsbescheid gemäß § 18 AStG und auch den Körperschaftsteuerbescheid für 1998. Es setzte u.a. einen Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 2 AStG an. Den jeweiligen Vorbehalt der Nachprüfung hob das FA auf.

Die Klägerin legte (nur) gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid Einspruch ein. Der geänderte Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig. Zur Einspruchsbegründung trug die Klägerin im Dezember 2008 sinngemäß vor, die Einbeziehung der Gewinne einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen beherrschenden Gesellschaft verletze nach dem EuGH-Urteil Cadbury Schweppes ihre Niederlassungsfreiheit. Diese Einwendung müsse aus unionsrechtlichen Gründen (auch) im Steuerfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden. Die Klägerin beantragte außerdem den Erlass eines Ergänzungsbescheids gemäß § 179 Abs. 3 AO, was vonseiten des FA abgelehnt wurde.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.3.2016, 1 K 1345/13, Haufe-Index 9558621, EFG 2016, 1318).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin aus den in den Praxis-Hinweisen wiedergegebenen Gründen ab.

 

Hinweis

1. Mit dem Besprechungsurteil stellt der BFH die verfahrensrechtlichen Konsequenzen klar, die sich aus demCadbury-Schweppes-Urteil des EuGH (EuGH, Urteil vom 12.9.2006, C-196/04, BFH/NV Beilage 2007, 365, EU:C:2006:544) für bereits veranlagte Altfälle ergeben. Die Quintessenz der Entscheidung lautet: Auch der unionsrechtswidrige Ansatz eines Hinzurechnungsbetrags muss hingenommen werden, wenn der entsprechende Feststellungsbescheid bestandskräftig geworden ist. Nationales Verfahrensrecht "schlägt" damit materielles Unionsrecht.

2. Die zeitliche Abfolge stellt sich im – durchaus exemplarischen – Streitfall im Wesentlichen wie folgt dar:

a) Bei der inländischen Kapitalgesellschaft wird im Hinblick auf die Beteiligung an einer ausländischen Zwischengesellschaft ein Hinzurechnungsbetrag für das Jahr 1998 angesetzt. Weil noch ein anderer Steuerpflichtiger an der Auslandsgesellschaft beteiligt ist, werden die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 18 AStG einheitlich und gesondert festgestellt. Die Besteuerungsgrundlagen werden in den Körperschaftsteuerbescheid der inländischen Kapitalgesellschaft übernommen.

b) Der Bescheid gemäß § 18 AStG erwächst mangels Einspruchseinlegung in Bestandskraft. Der Körperschaftsteuerbescheid wird dagegen offengehalten.

c) Einige Jahre später fällt der EuGH sein Urteil in der RechtssacheCadbury Schweppes. Danach muss innerhalb der EU einer inländischen Kapitalgesellschaft die Möglichkeit eingeräumt werden, nachzuweisen, dass die ausländische Zwischengesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.

d) Im Jahressteuergesetz 2008 verankert der Gesetzgeber diese Nachweismöglichkeit in § 8 Abs. 2 AStG (sog. Motivtest).

e) Die inländische Kapitalgesellschaft führt daraufhin den Nachweis, dass die ausländische Zwischengesellschaft 1998 einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen ist. Sie verlangt sodann, dass sie ohne Ansatz eines Hinzurechnungsbetrags zur Körperschaftsteuer herangezogen wird.

3. Der BFH hat dieses Ansinnen aus folgenden Gründen abgelehnt:

a) Nach dem bestandskräftigen Feststellungsbescheid gemäß § 18 AStG ist ein Hinzurechnungsbetrag anzusetzen. Dieser Bescheid ist Grundlagenbescheid für den Körperscha...

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