Jedes Jahr gehen in der gesamten Europäischen Union (EU) rund 200.000 Unternehmen in Konkurs, was zu 1,7 Millionen Arbeitsplatzverlusten führt. Deshalb sollen Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten in Zukunft so früh umstrukturiert werden können, dass Insolvenzen und Entlassungen möglichst vermeidbar werden. Bislang werden Insolvenzen nach dem Recht des Sitzstaates des Unternehmens abgewickelt. Für GmbHs mit Sitz in Deutschland gilt also das deutsche Insolvenzrecht. Mit der Restrukturierungsrichtlinie der EU vom 20.6.2019 sollen gemeinsame EU-Standards für effizientere Insolvenzverfahren und mehr Rechtssicherheit für Investoren und EU-weit tätige Unternehmen geschaffen werden. Die EU-Mitgliedsstaaten haben ab Inkrafttreten der Richtlinie zwei Jahre (= bis zum 17.7.2021) Zeit, um die erforderlichen Gesetzesänderungen zu beschließen und in Kraft treten zu lassen (RL, Art. 34 Abs. 1). Mit Blick auf die Corona-Pandemie und die teils gravierenden Auswirkungen auch auf "gesunde" GmbHs und andere Unternehmen aber hat der deutsche Gesetzgeber schnell reagiert. Die Änderungen und Erleichterungen treten bereits zum 1.1.2021 in Kraft, um den Corona-geschädigten und -betroffenen Firmen zu helfen, sich selbst im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens zu retten.

Im Rahmen des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) schließt das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) die bisherige Lücke zwischen der außergerichtlichen Sanierung und einem Insolvenzverfahren. Ab dem 1.1.2021 können Sanierungsmaßnahmen auch außerhalb einer Insolvenz gegen den Willen einzelner Gläubiger umgesetzt werden. So sollen Unternehmen in der Krise motiviert werden, rechtzeitig(er als bisher) Maßnahmen zu ergreifen, mit denen sie die Krise überwinden können.

Kernstück der Reform ist ein neues, im Wesentlichen außergerichtliches und vom Unternehmen selbstverantwortlich geführtes Sanierungsverfahren.

Nur die GmbHs werden zum Sanierungskonzept des Restrukturierungsrahmens zugelassen, bei denen eine Zahlungsunfähigkeit droht. Einstimmigkeit der Gläubiger ist nicht mehr erforderlich. Die Möglichkeit zur Unternehmensrettung bietet sich in Zukunft auch dann, wenn nur 75 % (gemessen an der Forderungshöhe, nicht an der Anzahl der Gläubiger) pro Gruppe mitmachen.

Der Restrukturierungsrahmen beginnt mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei Gericht. Es wird individuell auf die Unternehmensbedürfnisse abgestimmt, so dass die Geschäftsführung frei ist in ihrer Entscheidung, bestimmte Maßnahmen einzuleiten oder sie zu lassen.

Nach deutschem Recht gibt es drei Insolvenzgründe:

  • Zahlungsunfähigkeit
  • Überschuldung
  • Drohende Zahlungsunfähigkeit

An diesen drei Insolvenzgründen hat das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG), das ab dem 1.1.2021 gilt, im Grundsatz nichts geändert. Bei einer GmbH ist der Geschäftsführer grundsätzlich verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Insolvenzgericht, meistens sind das die Amtsgerichte, zu stellen. Diese Pflicht gilt genauso, wenn die GmbH überschuldet ist oder droht, illiquide zu werden. Auch daran hat das SanInsFoG im Grundsatz nichts geändert: Die Frist für die Stellung des Insolvenzantrags beträgt bei Zahlungsunfähigkeit weiterhin höchstens 3 Wochen. Bei einer Überschuldung dagegen haben ab 2021 die GmbHs insgesamt 6 Wochen lang Zeit, diesen Insolvenzgrund zu beseitigen. Des Weiteren reicht es ab 2021 bei pandemiebetroffenen GmbHs aus, wenn sie nachweisen, dass sie ihre Schulden in den nächsten 4 Monaten begleichen können. Ab 2022 gilt dauerhaft der Überprüfungszeitraum von einem Jahr.

Der Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit beträgt 24 Monate.

Ab dem 27.3.2020 galt das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie, das die Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung rückwirkend ab dem 1.3.2020 bis zum 30.9.2020 ausgesetzt hatte. Allerdings betraf diese Erleichterung nur die Fälle, in denen die Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht. Dies wurde vermutet, wenn der Schuldner am 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig war. Zudem mussten Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde mit dem Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) bis zum 31.12.2020 verlängert, dies aber nur für Unternehmen, die überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Dass die Erleichterung zum 1.1.2021 hätte auslaufen sollen, dass also ab diesem Zeitpunkt wieder die Insolvenzantragspflicht auch für überschuldete GmbHs hätte gelten sollen, war mit ein Grund für die "Eile" im Gesetzgebungsverfahren für das SanInsFoG. Nunmehr aber wurde die Insolvenzantragspflicht teilweise weiter ausgesetzt: Unternehmen, die wegen Überschuldung insolvenzreif sind, müssen auch bis zum 30.4.2021 keinen Insolvenzantrag stel...

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