Leitsatz

1. Überlässt ein Anästhesist, der ein "OP-Zentrum" betreibt, einem anderen Arzt Operationsräume nebst Ausstattung gegen Entgelt zur Durchführung von Operationen, an denen er selbst teilnimmt, ist die Raumüberlassung durch den Anästhesisten an den Operateur nicht als Heilbehandlung steuerfrei.

2. Es kann insoweit aber eine einheitliche steuerfreie Heilbehandlungsleistung i.S.v. § 4 Abs. 14 UStG des Anästhesisten gegenüber den Patienten oder ein steuerfreier mit dem Betrieb einer anderen Einrichtung eng verbundener Umsatz i.S.v. § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG vorliegen.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 14 Satz 1, § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist als Anästhesistin freiberuflich tätig. Sie stellte anderen Ärzten für ambulante Operationen, an denen sie selbst als Anästhesistin mitwirkte, ihre Operationsräume einschließlich der notwendigen Ausstattung zur Verfügung.

Grundlage waren mündliche Verträge, wonach den Ärzten die (Mit‐)Nutzung der Räume für die Durchführung der Operationen gestattet wurde. Hierfür erhielt sie von den Ärzten ein Entgelt, indem der jeweilige Operateur einen Anteil der Vergütung, den er von der Krankenkasse zur Abdeckung des Aufwandes für die Nutzung des OP-Raumes erhielt, an die Klägerin weiterleitete.

Die Klägerin behandelte die entgeltlichen Überlassungen ihrer Operationsräume als nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. steuerfreie Umsätze. Dem folgte das FA nicht.

Das FG wies die Klage ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.5.2011, 6 K 1128/09, Haufe-Index 2706201, EFG 2011, 2109).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin war begründet. Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Sache an das FG zurück.

Das FG hatte im Hinblick auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG keine ausreichenden Feststellungen zu den Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Operateur sowie zwischen diesen und dem jeweiligen Patienten getroffen, um die streitbefangenen Leistungen der Klägerin abschließend beurteilen zu können.

Bei der bloßen Überlassung von Praxisräumen nebst Ausstattung durch einen Arzt an andere Ärzte handelt es sich zwar weder um eine ärztliche noch um eine arztähnliche Leistung; eine solche Überlassung kann zwar einer Heilbehandlung dienen, stellt aber selbst keine solche dar.

Im Streitfall kommt aber in Betracht, dass die streitbefangene entgeltliche Raumüberlassung Teil einer einheitlichen (nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. steuerfreien) Leistung der Klägerin gegenüber dem jeweiligen Patienten war. Denn ein Zusammenhang zwischen der Anästhesieleistung der Klägerin, der chirurgischen Leistung des Operateurs und somit der (gemeinschaftlichen) Nutzung der Operationsräume zum Zweck der Heilbehandlung des Patienten war nicht zu verkennen. Zur abschließenden Beurteilung fehlten aber Feststellungen des FG, insbesondere zu den Vertragsverhältnissen zwischen der Klägerin sowie des Operateurs zu dem jeweiligen Patienten.

Außerdem hat das FG nicht geprüft, ob diese Leistungen ggf. nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG a.F. steuerfrei sind. Nach dieser Vorschrift waren u.a. steuerfrei die mit Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze, wenn die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht wurden und im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 vom Hundert der Leistungen Versicherten der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung, Sozialhilfeempfängern oder Versorgungsberechtigten "zugutegekommen" waren.

 

Hinweis

Die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt sind steuerfrei (§ 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F., § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG n.F.).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.3.2015 – XI R 15/11

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