Rz. 60

Für die Frage, ob eine Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG gegen Gewährung (= offene Sacheinlage) oder Minderung von Gesellschaftsrechten vorliegt, ist maßgeblich, welches Gegenkonto bei der Buchung der Übertragung angesprochen wird. Danach ist es für die Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten grundsätzlich entscheidend, ob der Übertragungsvorgang auch (teilweise) auf ein Konto, das Eigenkapitalcharakter hat, gebucht wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ausschließlich das Kapitalkonto I angesprochen wird.

 

Rz. 61

Erfolgt als Gegenleistung für die Übertragung die Buchung auf dem Kapitalkonto I, ist von einer Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auszugehen. Als maßgebliche Gesellschaftsrechte kommen die Gewinnverteilung, die Auseinandersetzungsansprüche sowie Entnahmerechte in Betracht. Die bloße Gewährung von Stimmrechten stellt, mangels Vermittlung einer vermögensmäßigen Beteiligung an der Personengesellschaft, keine Gegenleistung im Sinne einer Gewährung von Gesellschaftsrechten dar.[1]

 

Rz. 62

Werden neben dem Kapitalkonto I weitere gesellschaftsvertraglich vereinbarte variable Gesellschafterkonten (insbesondere Kapitalkonto II) geführt, so ist hinsichtlich deren steuerrechtlicher Einordnung auf die vertraglichen Abreden im Gesellschaftsvertrag abzustellen. Ein wesentliches Indiz für das Vorliegen eines Kapitalkontos ist die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, dass auf dem jeweiligen Konto auch Verluste gebucht werden dürfen.[2]

 

Rz. 63

Bringt ein Mitunternehmer ein Wirtschaftsgut gegen die ausschließliche Buchung auf dem sog. Kapitalkonto II ein, führte dieser Vorgang nach der bisherigen Ansicht der Finanzverwaltung zu einer Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Dieser Ansicht ist der BFH nicht gefolgt. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BFH liegt dagegen keine Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und damit kein entgeltlicher Vorgang vor, wenn der Gegenwert des übertragenen Wirtschaftsguts allein auf dem variablen Konto mit gesellschaftlichem Eigenkapitalcharakter, aber ohne Einfluss auf die Gesellschaftsrechte gutgeschrieben oder belastet wird (sog. Kapitalkonto II). Inzwischen hat sich auch die Finanzverwaltung dieser Meinung angeschlossen und wendet die BFH-Rechtsprechung in allen noch offenen Fällen an. Auf gemeinsamen Antrag des Übertragenden und der übernehmenden Personengesellschaft kann jedoch in allen noch offenen Fällen die bisherige Verwaltungsauffassung, wonach auch eine Buchung auf dem Kapitalkonto II zu einer Gewährung von Gesellschaftsrechten führt, für Übertragungen bis zum 31.12.2016 weiterhin angewendet werden.[3]

 

Rz. 64

Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist regelmäßig von einem Darlehenskonto[4] auszugehen, wenn es sich bei dem betreffenden Gesellschafterkonto nicht um ein Kapitalkonto handelt. Dies ist bspw. der Fall, wenn auf dem betreffenden Konto keine Verluste gebucht werden. Erfolgt die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern gegen Buchung auf einem Darlehenskonto, so kann dieses Konto keine Gesellschaftsrechte gewähren. Aufgrund des Erwerbs einer Darlehensforderung durch den übertragenden Gesellschafter liegt insoweit ein entgeltlicher Vorgang vor, der nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG zu bewerten ist.

 

Rz. 65

Von einer unentgeltlichen Übertragung geht die Finanzverwaltung nach der geänderten Verwaltungsanweisung ebenfalls aus, wenn die Buchung teilweise auf dem sog. Kapitalkonto II und teilweise auf einem gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklagenkonto erfolgt. Gegenleistungslos und deshalb ebenfalls unentgeltlich ist die vollständige Gegenbuchung für die Übertragung des Wirtschaftsguts auf dem gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklagenkonto.[5]

 

Rz. 66

In den Fällen der vollständigen Gegenbuchung des gemeinen Werts des auf die Personengesellschaft übertragenen Wirtschaftsguts zum Teil auf das Kapitalkonto I und zum Teil auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto oder nach der aktuellen Rechtsprechung nunmehr auch auf einem variablen Kapitalkonto (sog. Kapitalkonto II) sehen Rechtsprechung und Finanzverwaltung darin bisher einen in vollem Umfang entgeltlichen Übertragungsvorgang.[6] Allerdings hat der BFH zuletzt offen gelassen, ob er angesichts der an dieser Beurteilung aufgekommenen Kritik daran festhält.[7]

 

Rz. 67

 
Praxis-Beispiel

Y und Z sind zu jeweils 50 % an der YZ-OHG beteiligt. Im Sonderbetriebsvermögen des Z befindet sich ein Wirtschaftsgut, welches Z entgeltlich der YZ-OHG für ihre betrieblichen Zwecke überlässt. Der Buchwert des Wirtschaftsguts beträgt 1.000 EUR (Verkehrswert 10.000 EUR). Von der YZ-OHG wurden keine Verbindlichkeiten übernommen. Z überträgt das Wirtschaftsgut in das Gesamthandsvermögen der YZ-OHG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten i. H. v. 1.000 EUR (Buchung auf dem Kapitalkonto I des Z) und Buchung auf dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto i. H. v. 9.000 EUR. Die OHG setzt das Wirtschaftsgut mit 10.000 EUR in ihrem Gesamthandsvermögen an.

Lös...

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