Die beschriebenen Herausforderungen bei Turnarounds werden im Folgenden anhand eines Fallbeispiels aus dem Beratungsalltag bei goetzpartners verdeutlicht: Das Angebotsportfolio eines IT-Infrastrukturanbieters bestand zum damaligen Zeitpunkt sowohl aus Services als auch aus Produkten, die zu 55 % bzw. 45 % zum Jahresumsatz von ca. 2 Mrd. EUR beitrugen. Das Unternehmen war aus verschiedenen Gründen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Einer der Gründe lag in der unzureichenden Digitalisierung des Produktportfolios, das einer rückläufigen Nachfrage unterlag. Zudem baute das Unternehmen bei seinem Softwareangebot weiterhin auf ein klassisches Lizenzmodell, da es die Weiterentwicklung seiner Produkte hin zu Software-as-a-Service (SaaS) versäumt hatte. Um diesen Entwicklungen gegenzusteuern, startete der Kunde frühzeitig verschiedene Kostensenkungsprogramme, die zu einer kurzfristigen Stabilisierung der EBITDA-Marge im mittleren einstelligen Bereich führten. Gleichzeitig gingen jedoch der Umsatz und der Jahresüberschuss weiter konstant zurück, verbunden mit negativen Cashflow-Effekten. Um das längerfristige Überleben des Unternehmens sicherstellen zu können, wurde in Zusammenarbeit mit goetzpartners ein gesamtheitliches Turnaround-Programm gestartet. Das Programm bestand im Wesentlichen aus 3 zentralen Hebeln (s. Abb. 4):

  • Trennung von rückläufigen Produktlinien;
  • Anpassung des Vertriebskanals durch einen neuen "Go-to-Market-Ansatz";
  • Optimierung der Kostenstruktur.

Abb. 4: Eckdaten des Turnaround-Programms

Reduktion der Belegschaft

Die Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen führte zu einer signifikanten Reduktion der Belegschaft um fast 40 %. Dabei wurden zunächst ein neues Operating Model entwickelt sowie einzelne Maßnahmen definiert und in einer Dokumentationsschrift inklusive Begründung der Maßnahmen zusammengefasst (Weißbuch). Im Anschluss erfolgten die Information des Betriebsrates und die Verhandlung eines Interessenausgleichs sowie Sozialplans für die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter. Unter anderem wurden ein Carve-Out einer Geschäftssparte vollzogen, Betriebsteile rechtlich getrennt, Geschäftseinheiten umorganisiert und eine Transfergesellschaft für betroffene Mitarbeiter gegründet. Die Personalmaßnahmen wurden dabei durch ein stringentes Controlling überwacht und zugleich mit Blick auf die Cash-Situation zeitlich koordiniert.

Turnaround-Programm: Erste Erfolge

Innerhalb der ersten drei Monate des Turnaround-Programms konnten bereits erste positive Effekte bei den Umsatzkosten verzeichnet werden. Darüber hinaus konnten sowohl die Aufwendungen für Marketing & Sales als auch für den Verwaltungsbereich deutlich reduziert werden. Für das Programm wurde eine Rückstellung in dreistelliger Millionenhöhe für Restrukturierungsaufwendungen gebildet. Sieben Monaten nach Start der Maßnahmenimplementierung spiegelten sich die getroffenen Maßnahmen bereits positiv im Ergebnis wider. Zwei Jahre nach Start des Turnaround-Programms war dann schließlich eine nachhaltige Stabilisierung der Top-Line und der Bruttomarge erreicht.

Erstes Projektjahr: Kurzfristige Liquiditätskrise

Das Programm war hinsichtlich des Unternehmensergebnisses erfolgreich, dennoch verschlechterte sich die Liquidität des Unternehmens und resultierte im ersten Projektjahr in einer kurzfristigen Liquiditätskrise, die durch eine erneute Finanzspritze der Eigentümer überbrückt wurde. Hintergrund der Liquiditätsprobleme war der zeitversetzte Mittelabfluss der bei Programmverkündung gebildeten Restrukturierungsrückstellungen, u. a. zur Finanzierung der Transfergesellschaft. In dieser Situation kam vor allem dem CFO des Unternehmens mit seiner Finanzorganisation eine entscheidende Rolle zu. Er gewährleistete zum einen die Sichtbarkeit der Restrukturierungsmaßnahmen in der GuV, steuerte und kontrollierte aber gleichzeitig die Cashflow-Entwicklung – insbesondere in enger Zusammenarbeit mit dem CHRO die starken Mittelabflüsse ein Jahr nach Beginn des Restrukturierungsprogramms. Auch die erneute Finanzspritze durch die Eigentümer war ein maßgeblicher Erfolg des CFOs.

Turnaround-Programm: Radikaler Kurswechsel

Im Endergebnis führte das Turnaround-Programm zu einem radikalen Kurswechsel des Unternehmens. Das Produktgeschäft wurde digitalisiert und in Richtung SaaS neu ausgerichtet. Ein neuer Go-to-Market-Ansatz konnte implementiert, die Größe der Zentrale nachhaltig reduziert und sowohl Umsatz als auch Margen durch Outsourcing bzw. Flexibilisierung des Servicegeschäfts stabilisiert werden. Das operative EBITDA des Unternehmens wurde im Laufe des Programms von 8 Mio. EUR auf rund 170 Mio. EUR gesteigert. Nach Abschluss des Turnaround-Programms konnte das Unternehmen durch die Eigentümer erfolgreich an einen strategischen Investor verkauft werden.

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