Die Ankündigung eines Turnarounds und der Bedarf eines strikten Liquiditätsmanagements sind eng miteinander verbunden. So besteht während eines Turnarounds die konstante Gefahr, dass das Unternehmen trotz einer erfolgreichen Restrukturierung in Zahlungsunfähigkeit und folglich in Insolvenz gerät. Wie in Abbildung 2 dargestellt, kann, selbst wenn in laufenden Restrukturierungen bereits erste positive Maßnahmeneffekte in der GuV sichtbar sind, die Liquidität jedoch gleichzeitig immer weiter absinken, bis das Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit gerät. Es wird häufig übersehen, dass die eingeleiteten Maßnahmen mit nachgelagerten Cash-Effekten – bspw. durch die zeitverzögerte Auszahlung von Abfindungen oder Transferzahlungen – verbunden sind oder dass keine genaue Vorausschau der Zahlungsflüsse vorhanden ist.[1]

Abb. 2: Typisches Cash-Kurven-Szenario im Restrukturierungsfall

Ein umfassender Business Case mit Liquiditätsvorschau wirkt dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit während des Turnarounds entgegen. Dieser muss alle Restrukturierungs- und Einmalaufwendungen in einer detaillierten Cashflow-Planung berücksichtigen und ermöglicht somit, das Volumen und den Zeitpunkt des Finanzierungsbedarfes zu prognostizieren und auf kurzfristige Engpässe flexibel reagieren zu können.[2]

[1] Vgl. How to ensure cash flow in restructuring situations, 2018, S. 5.
[2] Vgl. How to ensure cash flow in restructuring situations, 2018, S. 4.

4.1 Die Ankündigung eines Turnaround-Programms und ihre Auswirkungen auf das Net Working Capital

Der öffentliche Start eines Turnaround-Programms löst erfahrungsgemäß bei den unterschiedlichen Stakeholdern des Unternehmens wie Lieferanten und Kunden verschiedene Reaktionen aus: Aufseiten der Lieferanten hat die bloße Ankündigung eines Turnarounds häufig bereits negative Auswirkungen auf Auslieferungen, Rechnungsstellung und Zahlungsziele gegenüber dem vom Turnaround betroffenen Unternehmen: Lieferanten des betroffenen Unternehmens versuchen, ihr eigenes Risiko bei einer potenziellen Insolvenz ihres Kunden zu minimieren, indem

  • zuvor gewährte Zahlungsziele gekürzt oder auch komplett gestrichen werden und ein strikteres Forderungsmanagement gegenüber dem Unternehmen gestartet wird.
  • Rechnungen direkt bei Leistung, im Extremfall aber auch bereits als Vorkasse gestellt werden.
  • bestellte aber noch nicht bezahlte Produkte später oder gar nicht mehr ausgeliefert werden.

Gleichzeitig werden aufseiten der Kunden des Unternehmens zuvor vereinbarte Anzahlungen verringert oder vollständig verweigert und ausstehende Forderungen nicht mehr beglichen. Die Kunden wollen somit das eigene Risiko minimieren und erhoffen sich Kosten sparen zu können. Je enger die Leistungsbeziehung zwischen Kunde und betroffenem Unternehmen ist, desto schwerer tut sich der Kunde, Maßnahmen durchzusetzen. Die verzögerte Auslieferung aufseiten der Zulieferer und die damit verbundenen Produktionsausfälle sowie kurzfristige Verschiebungen bzw. Stopps der Kunden bei der Vergabe von Aufträgen führen wiederum schnell zu einem Anstieg der Vorräte und Lagerhaltung im betroffenen Unternehmen. Der Rückgang der Verbindlichkeiten, verbunden mit einem Anstieg an Forderungen und erhöhter Lagerhaltung kann in Kombination zu einem schnellen und starken Anstieg des Net Working Capital, einem schnellen Liquiditätsabfluss und in Konsequenz zu Liquiditätsproblemen des betroffenen Unternehmens führen. Dies schränkt den Handlungsspielraum stark ein.

4.2 Personalumbau als Insolvenzrisiko

Häufig umfassen Programme zur Kostenreduktion auch Maßnahmen zum Personalabbau. Zur Auswahl stehen dabei bspw. der verstärkte Einsatz von Altersteilzeiten, Frühruhestand, die Gründung von Transfergesellschaften oder Qualifizierungsbetrieben oder – als letzte Option – betriebsbedingte Kündigungen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Chief Human Resources Officer (CHRO) und dem CFO ist unabdingbar, um zum einen eine korrekte Skalierung der Maßnahmen sicherzustellen. Zum anderen sind alle Maßnahmen mit zum Teil hohen Implementierungskosten verbunden, die es bei deren Auswahl und Umsetzung zu beachten gibt. Diese Implementierungskosten stellen in der Regel ein erhebliches Liquiditätsrisiko dar. So müssen bereits bei Planung und Verkündigung eines Personalabbauprogramms, Restrukturierungsrückstellungen zur Finanzierung der Maßnahmen gebildet werden. Maßnahmen wie die Gründung einer Transfergesellschaft, die Auszahlung von Abfindungen oder die Finanzierung eines Qualifizierungsbetriebs führen in der Regel aber erst zeitverzögert über 1–2 Jahre zu einem Mittelabfluss. Sollte diese Verzögerung bei der Liquiditätsplanung nicht berücksichtigt werden, können die meisten erheblichen Mittelabflüsse schnell zur Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens führen.

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