Leitsatz

1. Ein unmittelbarer Zusammenhang i.S. des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG setzt voraus, dass bei Vornahme des Hilfsgeschäfts die konkrete Investitionsentscheidung für den Betrieb eines Handelsschiffs im internationalen Verkehr bereits getroffen wurde.

2. § 5a Abs. 3 Satz 3 EStG n.F. enthält eine Rechtsgrundlage für die Änderung von Steuerbescheiden für Veranlagungszeiträume, die dem Jahr der Ausübung der Option nach § 5a Abs. 1 EStG vorangehen.

 

Normenkette

§ 5a Abs. 2 Satz 2 EStG, § 5a Abs. 3 EStG i.d.F. des HBeglG2004BestG

 

Sachverhalt

Im Jahr 2006 war eine GmbH & Co. KG als Vorratsgesellschaft gegründet worden, deren Zweck nach dem Gesellschaftsvertrag der Betrieb und die Veräußerung von Seeschiffen, insbesondere eines Schiffs mit einem bestimmten Namen war. 2010 schloss die KG einen Schiffsbauvertrag über ein Schiff, das 2012 fertiggestellt wurde und seither unter dem bei Gründung der Gesellschaft genannten Namen im internationalen Handelsverkehr eingesetzt wird.

In den Jahren 2006 bis 2009 erzielte die KG keine Einnahmen. Die im Zusammenhang mit der Gründung sowie der laufenden Verwaltung angefallenen Kosten führten zu Verlusten, die entsprechende Einkünftefeststellungen zur Folge hatten. Die Feststellungen ergingen teilweise endgültig, teilweise unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nachdem die KG im Jahr 2012 zur Tonnagebesteuerung optiert hatte, änderte das FA u.a. die Einkünftefeststellungen für 2006 bis 2009 und stellte jeweils Einkünfte von 0 EUR fest. Die Änderungen wurden auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt, soweit sie endgültige Feststellungen betrafen. Die gegen die Änderungsbescheide erhobene Klage blieb vor dem FG erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.2.2016, 1 K 171/15, Haufe-Index 9305863).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Verfahrensrechtlich hätten die Bescheide zwar nach § 164 Abs. 2 AO bzw. § 5a Abs. 3 Satz 3 EStG geändert werden können. In der Sache hätten auch die Einkünfte wegen der Option zur Tonnagebesteuerung rückwirkend auf 0 EUR festgestellt werden müssen, wenn die bisher festgestellten negativen Einkünfte aus Hilfsgeschäften i.S.d. § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG entstanden seien. Ein solches Hilfsgeschäft setze aber die vorherige konkrete In­vestitionsentscheidung in ein Handelsschiff voraus. Wann diese Entscheidung hier getroffen worden sei, müsse das FG noch feststellen.

 

Hinweis

1. Zu den Besonderheiten der Tonnagebesteuerung gehört nach einer ab 2004 gültigen Gesetzesänderung, dass die Ausübung der Option auch Rechtsfolgen für zurückliegende Jahre haben kann. Durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr vor Indienststellung des Schiffs erwirtschaftete Gewinne sind nicht zu besteuern, Verluste sind weder ausgleichsfähig noch verrechenbar (§ 5a Abs. 3 Satz 2 EStG).

2. Da es sich um Einkünfte handelt, die der Indienststellung des Schiffs vorangehen, können diese ­nur aus Hilfsgeschäften stammen, also in diesem Zusammenhang solchen Geschäften, "die der Geschäftsbetrieb üblicherweise mit sich bringt und die die Aufnahme der Haupttätigkeit erst ermöglichen", wie der BFH es formuliert. Zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gehören solche Geschäfte nur, wenn sie in einem unmittelbaren, also besonders engen Zusammenhang mit dem Einsatz des Schiffs oder der Vercharterung stehen (BFH, Urteil vom 13.4.2017, IV R 14/14, BFH/NV 2017, 1109, BFH/PR 2017, 286).

Dieser Zusammenhang fehlt nach dem hiesigen Urteil bei Geschäften, die vor der konkreten Entscheidung über die Investition in ein für die Tonnagebesteuerung qualifiziertes Schiff vorgenommen worden sind. Hierzu gehören typischerweise Gründungskosten einer Gesellschaft, die später die Investition vornehmen soll, denn erst die Organe der errichteten Gesellschaft können die Investitionsentscheidung treffen.

3. Ausdrücklich weist der BFH darauf hin, dass nicht umgekehrt bei Hilfsgeschäften nach der Investitionsentscheidung ohne Weiteres auf den besonders engen Zusammenhang geschlossen werden kann. Für Kapitalanlagen wurde ein solcher Zusammenhang bereits im oben erwähnten Urteil vom 13.4.2017 verneint. Die Erträge aus solchen Geschäften sind deshalb mit dem Pauschalbetrag nach § 5a Abs. 1 EStG nicht abgegolten.

4. Wenn materiell rückwirkend Gewinne und Verluste aus Jahren vor der Indienststellung entfallen, muss es ein verfahrensrechtliches Instrumentarium geben, um dies auch umsetzen zu können, wenn für solche Jahre bereits Bescheide ergangen sind. § 5a Abs. 3 Satz 3 EStG enthält eine Änderungsnorm, die die Vorschriften der AO ergänzt und sicherstellt, dass auch endgültig ergangene Bescheide noch geändert werden können, um den rückwirkenden Wegfall von Gewinnen oder Verlusten zu berücksichtigen. Selbst ein nach allgemeinen Grundsätzen eingetretener Ablauf der Festsetzungsfrist wäre dafür unbeachtlich (§ 5a Abs. 3 Satz 4 EStG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.6.2018 – IV R 16/16

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