Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht eines Rechtsanwalts zur elektronische Abgabe von Umsatzsteuererklärungen verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Verpflichtung eines Unternehmers, seine Umsatzsteuererklärungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, liegt innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, wahrt die Verhältnismäßigkeit und ist verfassungsgemäß (Anschluss an BFH-Urteil v. 14.3.2012, XI R 33/09).

2. Ein Rechtsanwalt hat keinen Anspruch auf einen Verzicht auf die elektronische Abgabe der Umsatzsteuererklärung im Billigkeitswege, wenn er bereits über einen Laptop mit Internetzugang verfügt, mit dem er den Schriftverkehr mit den Mandanten erledigt, wenn er zudem bereits die Erklärung des Vorjahres „elektronisch” abgegeben hat und wenn daher nicht ersichtlich ist, dass der Anwalt nach seinen persönlichen Kenntnissen nicht zur elektronischen Abgabe in der Lage wäre.

3. Sonstige Gründe, aus denen sich aus § 150 Abs. 8 Satz 1 AO außerhalb der in § 150 Abs. 8 Satz 2 AO formulierten Regelbeispiele „insbesondere”) ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Abgabe der Umsatzsteuererklärungen in Papierform ergeben könnte, können insbesondere nicht aus allgemeinen Bedenken gegen die Sicherheit der von § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorgeschriebenen elektronischen Übermittlung von Steuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch eine Datenübertragung nach Maßgabe der StDÜV, durch Hinweise auf eine vermeintliche Verringerung des Steuergeheimnisses oder durch die Mitteilung, dass der Kläger in der Vergangenheit infolge eines Virus- bzw. Trojanerbefalls ELSTER nicht mehr ausführen habe können, hergeleitet werden.

 

Normenkette

UStG § 18 Abs. 3 Sätze 1, 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; AO § 150 Abs. 8 Sätze 1-2, § 5; StDÜV

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 05.12.2016; Aktenzeichen XI B 73/16)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte den Kläger zu Recht zur elektronischen Abgabe der Umsatzsteuerklärung 2013 aufgefordert hat.

Der Kläger ist seit 1994 als selbstständiger Rechtsanwalt mit seiner Kanzlei in A-Stadt tätig. Da er seiner Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2013 nicht nachkam, schätzte der Beklagte mit Bescheid vom 23.03.2015 die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO. Am 01.06.2015 reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung in Papierform ein. Daraufhin forderte der Beklagte den Kläger mit Verfügung vom 12.06.2015 zur elektronischen Abgabe der Umsatzsteuererklärung auf.

Im Rahmen seines hiergegen gerichteten Einspruchs beantragte der Kläger zur Vermeidung unbilliger Härten einen Verzicht auf die elektronische Übermittlung der Steuererklärung. Die Voraussetzungen für die elektronische Datenübermittlung seien bei ihm nicht gegeben. Eine solche sei für ihn auch wirtschaftlich unzumutbar. Auf Grund eines Virus oder Trojaners könne er die ELSTER Software nicht mehr nutzen. Zum Schutz seiner Mandanten sei er dazu verpflichtet, seine Kanzlei unter Meidung des Internets zu betreiben. Bei einer Übermittlung über das Internet bekäme jedermann Zugriff auf seine Steuerunterlagen, da das Internet bekanntlich völlig unsicher sei. Die Vorschriften zur Abgabe der Umsatzsteuer durch Datenfernübertragung seien daher verfassungswidrig. Lediglich für die Korrespondenz mit seinen Mandanten habe er einen Laptop mit Internetanschluss. Steuererklärungen werde er damit aber auf keinen Fall versenden. Auch sei er kein Computerfachmann und daher persönlich nicht in der Lage, das Elster-Verfahren zu nutzen.

Nach erfolglosem Einspruch verfolgt der Kläger sein Begehren mit der Klage weiter und macht geltend: Der Kläger hält die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung durch elektronische Datenübertragung für verfassungswidrig, zumindest sei ein Verzicht im Einzelfall angemessen.

Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich wegen Verstoßes gegen die Grundrechte des Klägers aus Art 1, 2 GG iVm dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip aus Art 19 Abs. 4 und Art 20 GG und das Recht der Berufsausübungsfreiheit aus Art 12 GG. Diesem Verstoß stehe auch keinerlei gleich- oder höherrangiges Gemeinwohlinteresse entgegen. Der Kläger sei Einzelunternehmer. Er beschäftige mittlerweile keinerlei Mitarbeiter mehr.

Wenn der Kläger seine Steuerklärung in Papierform abgebe, sei gesichert, dass das Steuergeheimnis des Klägers gewahrt sei und kein völlig übertriebener Bürokratieaufwand betrieben werden müsse, der den Kläger an der Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt hindere. In der Abgabe der elektronischen Form sei das Steuergeheimnis in keinster Weise gesichert, da weltweit jedermann auf das Internet und dort auf jedwedes Dokument zugreifen könne und auch bei noch so teuer und ausgiebig von angeblichen „Experten” ausgearbeiteten „Abwehrmechanismen” Schutz nur ein Vorgaukeln von Sicherheit sei, um die Taschen von Großkonzernen und „Computerexpe...

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