rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zusammenballung bei gleichmäßiger Verteilung einer Abfindung auf zwei Veranlagungszeiträume. Unechte Rückwirkung. Kein Vertrauensschutz in den Fortbestand der Freibetragsregelung bei einer erst mehr als fünf Jahre nach der Vereinbarung ausgezahlten Abfindung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verteilt sich die Zahlung einer Abfindung in zwei gleichen Raten auf zwei Veranlagungszeiträume, so fehlt es an einem zusammengeballten Zufluss als Voraussetzung für eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG.

2. Soweit belastende Rechtsfolgen einer neuen Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden, liegt eine unechte Rückwirkung vor. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Wurde eine Abfindung vor Aufhebung des § 3 Nr. 9 EStG vereinbart und wird sie erst nach Auslaufen der Übergangsregelung ausgezahlt, so kommt eine Gewährung des Freibetrags aus Vertrauensschutzgründen nicht in Betracht, wenn zwischen Vereinbarung der Abfindung und der Auszahlung mehr als fünf Jahre lagen.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 3 Nr. 9, § 52 Abs. 4a S. 1; GG Art. 20 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.03.2012; Aktenzeichen IX B 7/12)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Art der Besteuerung von Abfindungen aus der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.

Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie bezogen beide sonstige Einkünfte in Form von Leibrenten. Die Klägerin erhielt zusätzlich noch eine Abfindungszahlung aus ihrem früheren Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin, die bis zum 31. Juli 2008 bei der X GmbH, Betriebssanierung A-Stadt, in einem Arbeitsverhältnis stand, hatte am 17. April 2003 mit dieser auf der Grundlage des Altersteilgesetzes, des Tarifvertrages zur Altersteilzeit und der Gesamtbetriebsvereinbarung der X GmbH Nr. 02/1999 eine Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen. Danach sollte das bestehende Arbeitsverhältnis ab 1. August 2003 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgesetzt werden und die Klägerin sollte zum 31. Juli 2008 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Bis zum 31. Januar 2006 sollte das Arbeitsverhältnis als Vollzeitphase und anschließend bis zum Ausscheiden zum 31. Juli 2008 als Freistellungsphase durchgeführt werden. Für den Fall einer Rentenkürzung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente war vereinbart, dass die Klägerin eine Abfindung nach § 5 des Tarifvertrags Altersteilzeit (TV ATZ) erhalten sollte. Weiter war eine Abfindung nach § 3 des Sozialplanes vorgesehen.

Da die Klägerin zum 1. August 2008 mit Erreichen ihres 60. Lebensjahres in Rente gehen wollte, hatte sie eine dauernde Rentenkürzung auf der Basis von 60 Monaten × 0,3 % = 18 % Rentenminderung zu erwarten. Es wurde daher eine Abfindung nach dem Tarifvertrag ATZ (Tarifstand zum 1. Januar 2008) in Höhe von 15.481,23 Euro berechnet. Die Abfindung nach dem Sozialplan belief sich auf 11.809,96 Euro (Bl. 12 der Gerichtsakte – GA –). Nach der von der Klägerin am 23. Mai 2005 unterzeichneten Erklärung gegenüber der X GmbH sollte die Gesamtabfindung von 27.291,19 Euro in Höhe von 50 % mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses und die anderen 50 % im Januar 2009 gezahlt werden (Bl. 33 d. Rechtsbehelfsakte).

Bei der mit Ausscheiden der Klägerin aus dem Dienstverhältnis im Jahr 2008 gezahlten ersten Abfindungsrate von 13.645,60 Euro hat der Arbeitgeber Lohnsteuer in Höhe von 2.995,00 Euro und 164,72 Euro Solidaritätszuschlag einbehalten und an das Finanzamt abgeführt (Lohnsteuerbescheinigung 2008, Bl. 13 d. GA).

Die im Streitjahr 2009 ungekürzt vom ehemaligen Arbeitgeber ausgezahlte 2. Rate von 13.645.59 Euro wurde in der Steuererklärung der Kläger für 2009 in der Anlage N unter der Rubrik „Entschädigungen/Arbeitslohn” für mehrere Jahre eingetragen und eine ermäßigte Besteuerung beantragt.

Im Bescheid vom 13. April 2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer in Höhe von 1.122 Euro fest. Er behandelte die Abfindung als Bruttoarbeitslohn und lehnte eine ermäßigte Besteuerung ab, da sie in zwei Veranlagungszeiträumen zugeflossen sei.

Mit ihrem Einspruch trugen die Kläger sinngemäß vor, es habe zum Zeitpunkt der Vereinbarung einen Steuerfreibetrag für Abfindungen gegeben, der dann durch das Gesetz für ein steuerliches Sofortprogramm vom 22. Dezember 2005 entfallen sei. Die gesetzliche Übergangsregelung habe den Freibetrag nur noch bei Abfindungszahlungen bis zum 31. Dezember 2007 gewährt. Bei Vertragsschluss sei dies nicht absehbar gewesen. Die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesänderung sei fraglich, denn die Neuregelung bedeute für den Vertrag der Klägerin eine Verletzung des Vertrauensschutzes. Es solle noch einmal die ermäßigte Besteuerung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geprüft werden.

Der Einspruch war ohne Erfolg. Der Beklagt...

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