Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung des Verlustabzugs für Körperschaften

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Untergang des bisher nicht genutzten Verlustabzugs bei einer Übertragung von 50 % der Gesellschaftsanteile einer Kapitalgesellschaft nach § 8c KStG i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes v. 14.8.2007 verfassungsrechtlich zulässig ist oder wegen eines Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip verfassungswidrig ist.

2. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt aber ungeachtet dessen, dass es bereits ein Musterverfahren beim BVerfG gibt (Az. 2 BvL 6/11, aufgrund der Vorlage des FG Hamburg v. 4.4.2011, 2 K 33/10) und der BFH daraufhin das wegen der Verfassungsmäßigkeit von § 8c KStG anhängige Revisionsverfahren (Az.: I R 31/11) nach § 74 FGO bis zur Entscheidung des BVerfG ausgesetzt hat, nicht in Betracht, wenn nicht das von BFH-Rechtsprechung für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung geforderte „besondere berechtigte Interesse” dargelegt wird, etwa dass dem Steuerpflichtigen durch den sofortigen Vollzug der streitigen Steuerforderung irreparable Nachteile drohen oder dass dadurch seine wirtschaftliche Existenz gefährdet würde.

 

Normenkette

KStG 2008 § 8c; GewStG 2008 § 10a S. 10; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 76 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.05.2012; Aktenzeichen I B 18/12)

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 8 c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) gerechtfertigt ist. Dabei ist fraglich, ob die Antragstellerin ein besonderes Interesse an der Gewährung der AdV wie z.B. existenzbedrohliche Nachteile darzulegen hat.

Die Antragstellerin ist eine Kapitalgesellschaft in Form einer GmbH. Sie beschäftigt sich als Bauträgerin mit dem Ankauf von Immobilien, deren Sanierung und Verkauf. Im streitigen Veranlagungszeitraum 2009 veräußerte die damalige Gesellschafterin Frau A-Mann an Frau B-Mann mit Geschäftsanteils- und Abtretungsvertrag vom 30.04.2009 50% ihrer Anteile. Frau B-Mann veräußerte die Anteile mit Wirkung zum 10. Juni 2009 an Herrn XY-Mann. Der Antragsgegner kürzte im Rahmen der Veranlagung die Verluste entsprechend § 8c KStG i.V.m. § 10a Satz 10 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Der zu berücksichtigende Verlust zur Körperschaftsteuer minderte sich nach dem Vortrag der Antragstellerin um 156.052 Euro auf 52.021 Euro. Das zu versteuernde Einkommen wurde mit 313.600 Euro festgestellt. Der Gewerbeverlust für Zwecke der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags minderte sich um 148.572 Euro auf 49.425 Euro. Hieraus ergab sich ein Gewerbeertrag i.H.v. 316.000 Euro. Die Antragstellerin legte form- und fristgerecht Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Sie beantragte das Ruhen des Verfahrens im Hinblick darauf, dass beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az.: 2 BvL 6/11 wegen der Verfassungswidrigkeit des § 8c KStG ein Verfahren anhängig ist. Dem Ruhensantrag wurde am 28.07.2011 zwar entsprochen, die beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) aber abgele hnt. Gegen diese Ablehnung legte die Antragstellerin Einsprüche ein, die am 21.10.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurden.

Die Antragstellerin trägt vor, die Frage, ob § 8c KStG verfassungsgemäß sei, sei vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Das Finanzgericht Hamburg habe hierzu in der Sache zutreffende Ausführungen gemacht (Beschluss vom 04.04.2011, 2 K 33/10, EFG 2011, 1460). Die Vorlage des Finanzgerichts Hamburg sei durch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 21.06.2011 unter dem Aktenzeichen 2 BvL 6/11 zur Entscheidung angenommen worden. Bereits die Annahme allein spreche für eine Zweifelhaftigkeit der genannten Vorschrift. Mithin sei eine Aussetzung der Vollziehung gerechtfertigt.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. die Vollziehung der Bescheide für 2009 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuermessbetrag vom 01.06.2011 sowie die Bescheide über gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2009 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 vom 01.06.2011 bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung in Höhe von 25.143,45 Euro ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
  2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Hilfsweise: Die Beschwerde wird zugelassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er meint, in dem Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz sei zu beachten, dass regelmäßig keine weitergehende Entscheidung getroffen werden dürfe, als vom Bundesverfassungsgericht zu erwarten sei. Es sei nicht die Nichtigkeit des gesamten Gesetzes, sondern allenfalls dessen Unvereinbark...

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