Rz. 12

Nach der Lebenserfahrung wendet ein Kaufmann in der Regel für ein Wirtschaftsgut nicht mehr auf, als ihm das Gut für den Betrieb wert ist. Wendet er mehr auf als ein Dritter ohne Beziehungen zu einem Betrieb aufgewendet hätte, so wird man dennoch davon ausgehen müssen, dass das Wirtschaftsgut für den Betrieb den aufgewendeten Betrag wert ist. Ein Erwerber, der den ganzen Betrieb unverändert fortführen würde, würde vermutlich gewöhnlich auch den gleichen Betrag aufzuwenden bereit sein, da er sich von den gleichen wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen würde.[1]

Von dieser Lebenserfahrung ausgehend werden folgende Teilwert-Vermutungen aufgestellt:[2]

 

Rz. 13

Im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung entsprechen die aufgewendeten Kosten dem Teilwert.[3] Die Vermutung gilt auch dann, wenn der Bewertungszeitpunkt vom Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt noch nicht allzu weit entfernt ist.

Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn der Steuerpflichtige besondere Umstände darlegt, insbesondere glaubhaft macht, dass die Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts zu diesen Kosten von Anfang an eine Fehlmaßnahme war oder dass zwischen dem Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung und dem maßgeblichen Bilanzstichtag Umstände eingetreten sind, die die Anschaffung oder Herstellung im Nachhinein zur Fehlmaßnahme werden lassen. Nach h. M. ist als Fehlmaßnahme die Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts zu werten, wenn sein wirtschaftlicher Nutzen bei objektiver Betrachtung deutlich hinter dem für den Erwerb oder die Herstellung getätigten Aufwand zurückbleibt und demgemäß dieser Aufwand so unwirtschaftlich war, dass er von einem gedachten Erwerber des gesamten Betriebs im Kaufpreis nicht honoriert würde.[4]

 

Rz. 14

 
Praxis-Beispiel

Der Erwerb einer Maschine, die mit erheblichen Mängeln behaftet ist, sofern die Mängel vom Veräußerer nicht alsbald behoben werden können;

Erwerb einer Produktionsanlage, wenn der Vertrieb des mit ihr hergestellten Produkts (etwa eines Medikaments) verboten wird und die Anlage auch anderweitig nicht genutzt werden kann.

 

Rz. 15

Als Fehlmaßnahme ist auch zu werten, wenn ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens angeschafft oder hergestellt wird, das nach den im Einzelfall gegebenen betrieblichen Verhältnissen wegen seiner Überdimensionierung erheblich und nachhaltig, d. h. nach dem Erkenntnisstand am Bilanzstichtag mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens für den weitaus überwiegenden Teil seiner technischen Restnutzungsdauer nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden kann.

 
Praxis-Beispiel

Die Leistung einer Maschine kann nicht ausgenutzt werden, weil der Betrieb nur noch Aufträge erhält, die ohne Weiteres mit einer kleineren und auch erheblich billigeren Maschine ausgeführt werden könnten.[5]

 

Rz. 16

In diesen Fällen einer Teilwertabschreibung steht nach Auffassung des BFH nicht entgegen, dass die Ertragslage des Betriebs insgesamt gut ist, denn der gedachte Erwerber eines Betriebs würde unter zwei vergleichbaren rentablen Betrieben den vorziehen, der nicht mit mangelhaften bzw. überflüssigen Anlagegütern belastet ist oder mit überdimensionierten und teuren, sondern mit den richtig dimensionierten und entsprechend billigeren Anlagen ausgestattet ist.

 

Rz. 17

Eine strengere Auffassung hatte der BFH in einer früheren Entscheidung[6] vertreten. Danach rechtfertigen bei einem Betriebsgebäude Übergröße und aufwendige Bauweise für sich allein keine Teilwertabschreibung. Wenn ein branchenkundiger Unternehmer ein Betriebsgebäude in einer bestimmten Größenordnung plant und errichtet, spricht in der Regel der objektive Sachverhalt dafür, dass es sich um eine überlegte und wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme handelt. Diese Vermutung wird nicht dadurch widerlegt, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Errichtung und in den folgenden Jahren nur bis zu maximal 60 % ausgelastet war. Denn bei einem Fabrikgebäude handelt es sich um ein Anlagegut, das in aller Regel mit der Bestimmung errichtet wird, dem Betrieb auf lange Sicht zu dienen. Ob diese Auffassung überholt oder auf die Umstände des Einzelfalls zurückzuführen ist, ist nicht ohne Weiteres erkennbar, da der BFH sich in der späteren Entscheidung nicht dazu äußert.

 

Rz. 18

Streitig ist, ob eine Teilwertabschreibung nur zulässig ist, wenn die Fehlmaßnahme unbewusst oder irrtümlich getroffen wurde[7] oder auch wenn sie bewusst vorgenommen wurde. Nach der Begriffsbestimmung des Teilwerts müssten auch bewusste Fehlmaßnahmen (z. B. aus Eigensinn, Geltungsbedürfnis oder übertriebener sozialer Einstellung) einer Teilwertabschreibung zugänglich sein, denn ein gedachter Erwerber würde nur einen entsprechend niedrigeren Preis für den Betrieb aufwenden. Ein beim Erwerb gezahlter Überpreis rechtfertigt jedoch nach Auffassung des BFH allein keine Teilwertabschreibung auf den niedrigeren Vergleichswert zu einem späteren Bilanzstichtag, der Überpreis nimmt jedoch an einer aus anderen Gründen gerechtfertigten Teilwertabschreibung in dem Verhältnis teil, das...

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