Rz. 5

Jeder Bewertung haftet ein Unsicherheitsmoment an. Ganz besonders gilt dies für den Ansatz des Teilwerts. Der Teilwert gilt zwar als ein objektiver Wert (vgl. Rz. 1), da er aber nur mithilfe der Unterstellung der Veräußerung des gesamten Betriebs ermittelt werden kann, sind subjektive Momente gar nicht auszuschließen. Soweit sich, wie in der Regel, ein Schätzungsrahmen ergibt, kommt der Auffassung des Steuerpflichtigen wesentliche Bedeutung zu, da er seine Verhältnisse am besten zu überblicken vermag. Hält sich die Schätzung des Kaufmanns innerhalb eines objektiven Schätzungsrahmens, dann ist es nicht zulässig, seine Schätzung durch die des Finanzamts zu ersetzen mit der Begründung, diese sei richtiger.[1] Zwei schier unlösbare Aufgaben sind nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung des Teilwerts auszuführen: Zunächst ist der fiktive Gesamtkaufpreis für den Betrieb zu ermitteln, dann ist der Einzelbetrag auszuscheiden, der auf das zu bewertende einzelne Wirtschaftsgut entfällt. Dabei kommt es nicht nur – wie man aus dem Gesetzeswortlaut entnehmen könnte – auf die Auffassung des Erwerbers, sondern ebenso sehr auf die des Veräußerers an. Denn eine Betriebsveräußerung ist nur bei einer Einigung von Veräußerer und Erwerber denkbar.

 

Rz. 5a

Im Rahmen der – fiktiven – Unternehmensveräußerung ist nach der Gesetzesdefinition "davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt". Bei dieser Fiktion handelt es sich nicht um eine bedingungslose Unterstellung einer – möglicherweise sinnlosen – Unternehmensfortführung, sondern um die Annahme, dass der Erwerber den vorhandenen Betrieb in sinnvoller Weise fortführt.[2] Ausgeschlossen wird mit dieser Fiktion die sofortige Zerschlagung, weil dann nicht mehr der Teilwert, sondern der gemeine Wert für die einzelnen Wirtschaftsgüter anzusetzen wäre. Damit ähnelt diese Fiktion den Überlegungen zum Going-concern-Prinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB und der Fortbestehensprognose § 19 Abs. 2 S. 1 InsO.

 
Praxis-Beispiel

Nach vielen erfolgreichen Jahren sinken Umsatz und Gewinn eines Unternehmens, weil man nicht rechtzeitig eine technologische Entwicklung in der Produktentwicklung berücksichtigt hat. Eine Analyse des Unternehmens ergibt, dass eine Sanierung sehr wahrscheinlich gelingen kann, dazu aber erhebliche Restrukturierungen notwendig sind, die den Charakter des Unternehmens verändern werden.

Die Wirtschaftsgüter sind nun mit den (ggf. sehr niedrigen) Teilwerten anzusetzen, die beispielsweise ein Finanzinvestor im Rahmen eines Gesamterwerbs für die einzelnen Güter ansetzen würde.

 

Rz. 6

Der Gesamtkaufpreis für den Betrieb setzt sich zusammen nicht nur aus dem Entgelt für die im Betrieb enthaltenen Sachwerte (Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Halb- und Fertigfabrikate, Rohstoffe, Betriebseinrichtung), sondern auch aus dem Entgelt für die immateriellen Güter (Firma, Kundschaft, Mitarbeiterstamm, Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, Patente, Beschäftigungs- und Ertragslage). Entgeltmindernd sind Verbindlichkeiten, Rückstellungen und andere Lasten zu berücksichtigen. Der Gesamtkaufpreis ist auf alle diese Güter zu verteilen. Daraus ergibt sich, dass hohe immaterielle Werte, die zu einer guten Rentabilität des Betriebs führen, den Teilwert der Sachgüter nicht erhöhen. Nach Auffassung des BFH ist es unzulässig, den Geschäftswert auf die einzelnen sonstigen Betriebsvermögensgegenstände umzulegen und deren Wert auf diese Weise zu erhöhen. Anders ist die Rechtslage dort, wo der Gegenstand selbst eine hohe Rente abwirft, z. B. in Form einer hohen Miete oder Pacht. Mit dieser Auffassung hat der BFH die Rechtsprechung des RFH, dass bei gut rentierenden Unternehmen eine Teilwertabschreibung grundsätzlich nicht zulässig ist, aufgegeben.[3]

 

Rz. 7

Die gleichen Schwierigkeiten wie bei der Ermittlung des Gesamtkaufpreises des Betriebs, für den es kaum einen Markt gibt, ergeben sich bei der Verteilung dieses Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter, da es für eine solche Verteilung keinen objektiven Maßstab gibt. Theoretisch sind zwei Vorgehensweisen denkbar:[4]

  • Differenzmethode

    Ermittlung des Gesamtkaufpreises eines Unternehmens, einmal einschließlich des zu bewertenden Gutes und einmal ohne dieses Gut. Die Differenz ist dann der Teilwert dieses Gutes.

  • Zurechnungsmethode

    Ermittlung des Gesamtkaufpreises eines Unternehmens mit anschließender Verteilung des Preises auf jedes einzelne Gut. Ergibt die Teilwerte sämtlicher Einzelgüter.

In der Praxis wird der Teilwert nicht, wie das Gesetz es will, durch Zerlegung eines fiktiven Gesamtkaufpreises ermittelt, da dieser Weg nicht gangbar ist. Vielmehr bleibt nur der Weg der Schätzung. Dabei bedienen sich Rechtsprechung und Praxis der Hilfe von Grenzwerten und Vermutungen. Die Sichtweise der Finanzverwaltung dazu findet sich in einem BMF-Schreiben,[5] das sich insbesondere mit den Fragen der dauernden Wertminderung und dem Wertaufholungsgebot beschäftigt;[6] dieses BMF-Schreiben ersetzt alle älteren BMF-Schreiben zum Teilwert.

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