Dieses Kapitel untersucht anhand verschiedenster Fälle und Umsetzungsvarianten, ob und inwieweit ein Verrechnungspreis gleichzeitig sowohl aus Controllingsicht als auch aus steuerlicher Perspektive verwendet werden kann.[866]

Die Frage, ob die konzerninterne Verrechnung von Lieferungen und Leistungen zu einem Preis erfolgen kann, der sowohl aus Controlling- als auch aus steuerlicher Sicht sinnvoll ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Es bedarf einer differenzierenden einzelfallbezogenen Betrachtung, die insbesondere von folgenden Kriterien bzw. Umständen abhängig sein kann:

  • Art der Transaktion
  • Wahl der VP-Methode
  • Wahl des Unternehmenssteuerungskonzepts und der Steuerungs-KPIs
  • Art und Weise der Incentivierung des Managements lokaler Gesellschaften
  • Homogenität/Heterogenität der globalen ERP-Landschaft
  • Homogenität/Heterogenität der Kontenrahmen, Kostenstellen, Stammdaten
  • Existenz und Qualität der bestehenden Reporting-Systeme

Zunächst werden die in der Praxis gebräuchlichen Transaktionsarten strukturiert zusammengefasst. Im Anschluss folgt eine synoptische Analyse dieser Transaktionsarten aus steuerlicher und Controllingsicht. Der Aufbau dieser Analyse folgt dabei den Transaktionsarten, so wie sie aus steuerlicher Sicht üblicherweise voneinander abgegrenzt und beurteilt werden.

[866] Beitrag teilweise entnommen aus: Hanken/Kleinhietpaß, Verrechnungspreise. Im Spannungsfeld von Controlling und Steuern, 2014.

22.1.1 Systematisierung konzerninterner Transaktionsarten

Zum Einstieg fasst folgende Übersicht die wesentlichen praxisrelevanten konzerninternen Transaktionsarten zusammen, die auch in Teil B, Kapitel 11 erläutert worden sind[867]:

Abb. 221: Die wichtigsten konzerninternen Transaktionsarten

Insgesamt können konzerninterne Transaktionsarten in drei Gruppen aufgeteilt werden:

  • Veräußerungen von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern
  • Zeitlich befristete Überlassungen von Wirtschaftsgütern, Kapital, Mitarbeitern
  • Dienstleistungen/Services

Da die Analyse aller möglichen Transaktionsarten den Rahmen des Kapitels sprengen würde, haben wir uns auf folgende Auswahl beschränkt, die im nachfolgenden Kapitel synoptisch sowohl aus steuerlicher Perspektive als auch aus Controllingsicht vereinfacht beurteilt wird:

 
Transaktionsarten-Systematik Synoptische Analyse

Veräußerung

materielle Wirtschaftsgüter
Kapitel 22.1.2, Nr. 1: Lieferung von materiellen Wirtschaftsgütern

Überlassung

immaterielle Wirtschaftsgüter
Kapitel 22.1.2, Nr. 2: Know-how-Überlassung/Lizenzierung

Überlassung

Kapital
Kapitel 22.1.2, Nr. 3: Finanzierung

Überlassung

Mitarbeiter
Kapitel 22.1.2, Nr. 4: Entsendungen
Services Kapitel 22.1.2, Nr. 5: Dienstleistungen

Da die Transaktionsart Nr. 1 (Lieferung von Fertigprodukten von einer Produktions- an eine Routinevertriebsgesellschaft) bei den meisten Unternehmen hinsichtlich der Höhe des Transaktionsvolumens die größte Bedeutung haben dürfte, haben wir verschiedene Umsetzungsvarianten als Unterfälle aufgenommen.

[867] ›WG‹ = Wirtschaftsgüter; ›RHB‹ = Roh-/Hilfs- und Betriebsstoffe

22.1.2 Synoptische Analyse der Transaktionsarten

Da in Unternehmen unzählige Varianten und Kombinationen von Transaktionsarten, VP-Methoden, Unternehmenssteuerungskonzepten etc. existieren, ist eine sachgerechte und professionelle Beurteilung nicht pauschal, sondern nur für den Einzelfall möglich. Dennoch soll hier der Versuch unternommen werden, Aussagen hinsichtlich der möglichen Harmonisierbarkeit je Transaktionsart aus steuerlicher Perspektive und aus Controllingsicht zu treffen.

Da in der Praxis die Steuerexperten in der Praxis in den Begrifflichkeiten ›Routineunternehmen‹ und ›Strategieträger‹ denken und im Controlling die Center-Typen-Denke vorherrscht, haben wir außerdem versucht, beide Sichten zu integrieren bzw. in Verbindung zu setzen. Auch für die Einteilung in Center-Typen gilt, dass es bereits in der Theorie und noch mehr in der Praxis zahlreiche Spielarten gibt. Die älteste und wohl immer noch meist verbreitete Einteilung unterscheidet Profit-[868], Service- und Cost-Center. Hier hat sich für die Servicecenter der Begriff ›Shared Services‹ durchgesetzt. In einigen Unternehmen werden zusätzlich noch Investment-Center und Revenue Center (Umsatz-Center) unterschieden[869]. Zu Einzelheiten zu Center-Typen wird auf Teil C, Kapitel 16.3.1 verwiesen.

Die folgenden Tabellen fassen, geordnet nach Transaktionstyp, unsere vereinfachende Analyse, ob bzw. inwieweit sich die steuerliche Perspektive und die Controllingsicht in den VP harmonisieren lassen, zusammen. Damit Sie sich schnell orientieren können, haben wir die jeweiligen Schlussfolgerungen farbig hervorgehoben: grün bei ›ja‹, rot bei ›nein‹ und orange bei ›es kommt drauf an‹:

 
1. Lieferung von materiellen Wirtschaftsgütern
Transaktionstyp 1.1. Lieferung von Routineproduktionsunternehmen an Strategieträger
Häufige Anwendung z. B. Auftragsfertiger, verlängerte Werkbank, Lohnveredler, Lieferung von Roh-/Hilfs-/Betriebsstoffen
Steuersicht VP-Methode: C+; Routinemarge für den Produzenten, Residualergebnis für den Strategieträger
Controllingsicht

Produzent = Servicecenter[870]; soweit S...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge