In der Einführung (vgl. Teil A, Kapitel 1 und 4.1) wurden kurz verschiedene Ziele von Verrechnungspreisen dargestellt. Nicht immer sind Steuern und Steuerung dabei in Einklang zu bringen. An verschiedenen Stellen (siehe vor allem Teil D, Kapitel 19) wurden bereits Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Steuerrecht und Controlling deutlich gemacht. Für den Vertrieb soll im Folgenden gezeigt werden, zu welchen Ergebnissen es führen kann, wenn die Steuerung auf Basis steuerlicher Verrechnungspreise, also ausschließlich auf Basis der Legal Books (Finanzbuchhaltung) und ohne konsolidierte oder korrigierte Ergebnisrechnung (sogenanntes ›1-Preis-System‹) erfolgt. Ist eine nachgelagerte Stufe nicht informiert, wie hoch der konsolidierte Konzerndeckungsbeitrag tatsächlich ist, so kann sie keine sinnvollen Entscheidungen treffen. Das betrifft nicht nur die Sortimentspriorität (also die Frage, welche Artikelgruppen besonders attraktiv sind), auch die Preis-Mengen-Kombination sowie Entscheidungen zu Preisuntergrenzen sind betroffen. Für diejenigen Leser, die nicht aus dem Vertriebscontrolling kommen, soll im nächsten Abschnitt ein Grundprinzip der Sortimentssteuerung in kurzer Form dargestellt werden. Dieses Grundwissen dient als Basis für die Analyse, ob und gegebenenfalls wie Verrechnungspreise die Sortimentssteuerung beeinflussen.[848]

[848] Ausführlich vertieft wird das Thema – ergänzt um weitere Aspekte – im Buch ›Profit Center Vertriebs-Controlling – Strategische und operative Steuerung von Vertriebseinheiten‹, von Hauser und Kleinhietpaß (2011), 3. Auflage, 2011, VCW-Verlag, Reihe: Controlling Pockets, Band 3.

21.1.1 Grundlagen der Sortimentssteuerung im Vertrieb

Eine zentrale Steuerungsempfehlung im Controlling lautet, unter gegebenen Rahmenbedingungen (z. B. ohne Investitionen), die Handlungsalternative zu wählen, die den höchsten DB I je Einheit des Engpassfaktors aufweist[849]. Diese Regel lässt sich auf unterschiedliche Engpassfaktoren (z. B. Maschinenstunden, Mitarbeiterstunden, Palettenplätze, Regalmeter usw.) anwenden. Zwei im Vertrieb besonders oft vorkommende Engpässe sind die ›vom Kunden benötigte Menge‹ und das ›Einkaufsbudget des Kunden‹. Aus Sicht des Vertriebs heißen die beiden Engpassfaktoren dann (verkaufbare) ›Stückzahl‹ und der (maximale) ›Umsatz‹. Beispielhaft soll in Erinnerung gerufen werden, wie die oben genannte Entscheidungsregel idealtypisch umzusetzen wäre. Es ist den Autoren bewusst, dass dies in vielen Branchen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht oder nicht immer möglich ist. Aber es gibt umgekehrt auch zahlreiche Branchen, die diese Regel sehr erfolgreich in Handlungsempfehlungen und Bonusmodellen umgesetzt haben. Im Folgenden werden nicht die Anwendungsfälle und Grenzen der Regel hinterfragt. Die Regel wird vielmehr beispielhaft angewandt, um das dahinterstehende Prinzip zu verdeutlichen. Darum wird auch von allen Aspekten abgesehen, die die Kundenzufriedenheit betreffen.

Als Beispiel soll der Verkauf von Digitalkameras dienen: Die meisten Anbieter von Unterhaltungselektronik haben sehr viele Kameras im Sortiment. Wir unterstellen, dass der Kunde eine Vorauswahl getroffen hat, die ihm gefällt. Sowohl die Produkteigenschaften als auch die Verkaufspreise sind in einem Rahmen, den der Kunde akzeptiert. So könnte die eine Kamera einen etwas besseren Zoom, die nächste eine höhere Farbtreue und die letzte besonders wenig Gewicht haben. Oft genug lässt sich beobachten, dass ein Kunde den Verkäufer fragt: ›Und welche würden Sie mir jetzt empfehlen?‹ Der Verkäufer hat dann die Wahl, welche Kamera er verkaufen möchte. Er sollte – ohne die spätere Kundenzufriedenheit zu beeinträchtigen – das Modell empfehlen, das ihm die beste Marge bringt. Da der Kunde vermutlich nur eine Kamera kaufen wird (und nicht mehrere), muss der Verkäufer versuchen, mit dieser einen Kamera den maximal möglichen Deckungsbeitrag zu erzielen. Das entspricht der Entscheidungsregel, den Deckungsbeitrag je Engpassfaktor zu maximieren. Der Engpass ist hier die Anzahl der zu verkaufenden Kameras. Da es jeweils nur um eine Kamera geht, kann direkt der absolute Deckungsbeitrag (hier: aus Gesamtunternehmenssicht) betrachtet werden. Der Vertrieb sollte versuchen, Kamera A zu verkaufen, wie die Abbildung 205 veranschaulicht:

Abb. 205: Kamerabeispiel mit Deckungsbeiträgen

Durch die Berechnung von Verrechnungspreisen des Produzenten an die Routinevertriebsgesellschaft (›RVG‹), bei der der oben genannte Verkäufer angestellt ist, darf sich die Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit nicht ändern. Kamera A muss weiterhin für den Verkäufer die erste Wahl bleiben, dann Kamera B und erst zuletzt Kamera C. Der Verrechnungspreis, z. B. als Lieferpreis ab Zentrallager, stellt für den Verkäufer den Wareneinstand dar. Er kennt den kompletten Deckungsbeitrag nicht. Er entscheidet anhand der ihm zur Verfügung stehenden verkürzten Marge (= Verkaufspreis ./. Verrechnungspreis). Diese stellt seinen ›Quasi-Deckungsbeitrag‹ dar. Kosten die Prozesse im Zentrallager beispielsweise 30 EUR je Artikel für Versand,...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge