Die Einführung von verhandelten Leistungsvereinbarungen ist für die Organisation ein großer Schritt. Viele Abteilungen haben noch nie Verhandlungen geführt. Dementsprechend groß ist die Verunsicherung. Insbesondere besteht die Sorge, eine nachteilige Vereinbarung abzuschließen. SLAs sind darum eine fortgeschrittene Variante der Leistungsverrechnung. Es ist keine Reorganisation, verändert die Kompetenzen der Abteilungen aber nachhaltig. Neben dieser inhaltlichen Seite gibt es zahllose Auswirkungen auf die Kostenrechnung und die IT-Systeme. Kurz gesagt: Die Einführung von SLAs ist ein Projekt und sollte dementsprechend gründlich vorbereitet werden. Die Zentrale muss klare Rahmenbedingungen und Empfehlungen herausgeben. Dazu gehören:

  • Zielsetzung des Projekts und Termine,
  • Umfang, d. h. beteiligte Abteilungen und Leistungen (sowie Ausschlüsse),
  • Vertragsmuster und Textbausteine,
  • Regeln zur Verhandlungsführung,
  • Verfahrensregeln und Verantwortliche sowie
  • allgemeine Rahmenbedingungen.

Die Vorgaben sollen lediglich den Prozess regeln, nicht aber die Ergebnisse der Verhandlung vorwegnehmen. Die Zentrale sollte insbesondere nicht das Verfahren vorgeben, nach dem der Verrechnungspreis zu bilden ist. Beispielsweise könnte die gesetzliche Herstellungskostendefinition für die Produktion gewählt werden. Würde die Zentrale eine andere Rechenmethodik vorgeben, würden sich andere Ergebnisse einstellen.[834] Vorgaben vereinfachen zwar den Prozess, der Nachteil besteht jedoch in der Vorentscheidung über Ergebnisse. Die Festlegung auf Herstellungskosten entspricht einer Festschreibung der internen Preise auf die gegebene Kostenstruktur des Servicecenters, da gesetzliche Herstellungskosten als Ist-Kosten ermittelt werden. Der Anreiz zur Effizienzsteigerungen ist gering.

Ein solcher Nachteil müsste durch andere Maßnahmen kompensiert werden: Vorgaben zur Kostenreduktion werden nötig. Nur eine ›allwissende‹ Zentrale könnte eine passende Vorgabe machen. Sie würde die optimale Menge, die optimale Qualität usw. kennen. Sie könnte Koordinationsprobleme zwischen Abteilungen direkt per Anweisung lösen. Dann bräuchte man aber keine (verhandelten) Verrechnungspreise mehr. Das ist Fiktion – denn die Zentrale ist nicht allwissend. Sie hat weniger Wissen als die dezentralen Abteilungen. Für sie sollte das Prinzip der ›Nichteinmischung‹ in die Details der dezentralen Verhandlungsprozesse gelten.

Fehlen dagegen die beschriebenen Orientierungshilfen, wird das gesamte Wissen auf dem mühsamen Weg der Erfahrung erzeugt. Dazu ein Erlebnis, das der Autor im Rahmen eines firmeninternen Projekts hatte:

Beispiel aus der Praxis:

Verhandelt wurden ›Postdienst und Materialausgabe‹. Beide Seiten, Servicecenter und Sparte, kamen ›sicherheitshalber‹ mit jeweils zwei Personen zum Gespräch. Der erste Vertragsentwurf erschien der Sparte unverhältnismäßig hoch. Die Differenzen sollten mithilfe eines konkreten Beispiels ausgeräumt werden. Ausgewählt wurde dafür ein handelsüblicher, ›extrastarker Registratur-Locher mit stabilem Hebel‹. Mit rund 30 EUR, so wurde seitens der Sparte argumentiert, sei der Preis eindeutig zu hoch. Jeder Büromarkt sei günstiger und würde dabei noch Gewinn erzielen. Das Servicecenter verwies auf seine Kostensituation. Entscheidend sei nicht der Einkaufspreis, sondern die indirekten Kosten. Die Umlagen des restlichen Unternehmens, z. B. IT, Personal oder Geschäftsführung, seien erhebliche Kostentreiber. Deshalb könne man nicht so günstig wie der lokale Büromarkt sein. Die Diskussion zog sich insgesamt eine halbe Stunde ergebnislos hin und wurde dann abgebrochen. Die Kosten dieser vier Personen sind beachtlich und angesichts des fehlenden Ergebnisses ärgerlich. Was lässt sich aus dem Beispiel lernen und besser machen?

Erstens ist das Problem der Verrechnung grundsätzlicher Natur. Es geht nicht um eine Detailfrage. Sind die Leistungen der Abteilung ›Postdienst/Materialausgabe‹ allgemein geeignet, die danach bestehende Nachfrage mittels Preisen zu steuern, d. h. auch die Nachfrage zu begrenzen? Ist eine Leistung überhaupt dafür geeignet, dass sie über die ILV koordiniert wird (vgl. Teil C, Kapitel 16.3)? Im konkreten Fall war dies eine Vorgabe der Geschäftsführung. Für die meisten Firmen wäre es bereits grundsätzlich nicht sinnvoll, den im Beispiel beschriebenen Sachverhalt über die ILV zu koordinieren. Auch im Hinblick auf die Transparenz der Kostenstrukturen wäre es nicht nötig, den Locher zu verrechnen.

Grundsätzlich ist der Ansatz, konkret am Beispiel diskutieren zu wollen, allzu menschlich. Selbst wenn man die grundsätzliche Steuerbarkeit der Nachfrage nach Leistungen der Abteilung ›Postdienst/Materialausgabe‹ bejahen sollte, müsste die Diskussion eines konkreten Details als Irrtum erkannt werden. Ein Locher ist nicht das geeignete Objekt, um die Nachfrage durch interne Preise zu steuern: Wenn der Locher defekt ist, wird er ersetzt!

Zweitens ist der Locher zu wenig bedeutsam. Die Verrechnung ›der Höhe nach‹ macht keinen Sinn. Selbst wenn der Loch...

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