Bei Verwirklichung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung gem. § 370 AO, die bei Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder bei Unterlassen der Erklärung vorliegt, drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren im Falle des § 370 Abs. 1 AO oder bis zu zehn Jahren in Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO.

Wechseln die Verantwortlichkeiten im Vorstand, in der Geschäftsführung oder in der Steuerabteilung, ist § 153 AO zu beachten: Wurde eine Erklärung unvorsätzlich abgegeben, besteht eine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO, wenn die Unrichtigkeit nachträglich erkannt wird.[1] Nach Auffassung des BGH kann eine Berichtigungspflicht auch dann bestehen, wenn die Erklärung mit Eventualvorsatz unrichtig abgegeben wurde.[2] Hat der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Angaben bei Erklärungsabgabe nicht gekannt, diese aber billigend in Kauf genommen und ist später zu der Einsicht gelangt, dass die Angaben unrichtig waren, mutet ihm der BGH unter Durchbrechung des strafrechtlichen nemo-tenetur-Grundsatzes[3] zu, die Unrichtigkeit bis zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn zu berichtigen.[4] Die Berichtigung ist in diesem Fall als Selbstanzeige zu werten und führt im Ergebnis zu einer Straf- oder Bußgeldbefreiung. Greift ein Sperrgrund des § 371 Abs. 2 AO ein, will der BGH die erlangten Erkenntnisse nicht für steuerstrafrechtliche Zwecke verwerten.[5] In der Praxis werden Berichtigungen nach § 153 AO oft nicht vorgenommen, was den Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begründet.

Unter den Voraussetzungen des § 371 AO ist für Unternehmensverantwortliche die strafbefreiende Selbstanzeige möglich. Allerdings dürfen nicht die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO eingreifen. Für Selbstanzeigen in Unternehmen ist insbesondere die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung von Bedeutung[6]. Da der Sperrgrund bereits eingreift, wenn sich die Prüfungsanordnung ihrem Umfang nach auf nur eines der nacherklärten Jahre erstreckt, ist eine Selbstanzeige bei "anschlussgeprüften" Unternehmen praktisch ausgeschlossen.[7]

Bei einer unklaren Rechtslage, die oftmals einer aggressiven Steuerplanung immanent ist, besteht für die handelnden Leitungsorgane eine besondere Verantwortung. Die Grenzen zwischen Steuerbetrug und Steuerumgehung sind hier oft fließend. Unrichtige bzw. unvollständige Angaben i. S. des § 370 AO können auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige von der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung oder von der Rechtsprechung abweicht.[8] Das BVerfG nimmt eine Offenbarungspflicht für Sachverhalte an, deren rechtliche Einordnung zweifelhaft ist: "Die vorsorgliche Offenbarung ist umso wichtiger, als es dem Steuerpflichtigen regelmäßig möglich und zumutbar ist, offene Rechtsfragen nach Aufdeckung des vollständigen und wahren Sachverhalts im Besteuerungsverfahren zu klären, anstatt auf eine Strafbarkeitslücke zu hoffen."[9]

[1] Dazu Rätke in Klein, AO .Aufl. 2018, § 153 Rn. 7
[3] Vgl. AEAO zu § 153, Nr. 5.2
[4] Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8.Aufl. 2015, Rn. 263f.
[5] BGH, Urteil v. , NJW 2009 S. 1984, 1986
[7] v. Frantzki/Schauf, Steuerberater-Jahrbuch 2014/2015, S. 595, 598 mwN
[8] Aichberger/Schwartz, DStR 2015 S. 1691, 1694

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