Aufgrund des Grundsatzes nach Treu und Glauben[1] folgt die rechtliche Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung.[2] Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bedeutet dies, dass sich die Beteiligten an einer zulässigen und wirksamen tatsächlichen Verständigung daran halten müssen.[3] Solange und soweit die tatsächliche Verständigung wirksam ist, müssen sowohl die Finanzbehörden als auch der Steuerpflichtige sie beachten und auch das Finanzgericht muss die tatsächliche Verständigung seiner Entscheidung zugrunde legen. Für den Steuerpflichtigen führt deren Tatbestandswirkung zu einem materiellen Einwendungsausschluss.[4] In der Vereinbarung wird das Finanzamt auf die Bindungswirkung hinweisen und dem Steuerpflichtigen bzw. dessen Steuerberater eine Ausfertigung der Vereinbarung überlassen.

Unmaßgeblich sind Vorstellungen und Vorbesprechungen der Beteiligten, die nicht explizit Gegenstand der tatsächlichen Verständigung geworden sind; versteckte Einigungsmängel i. S. v. § 155 BGB werden von einer getroffenen tatsächlichen Verständigung erfasst. Lediglich offene Einigungsmängel können insoweit eine Bindung an die tatsächliche Verständigung ausschließen.[5]

Auswirkungen auf die Steuerbescheide

Eine wirksam und unanfechtbar zustande gekommene tatsächliche Verständigung bindet die Beteiligten auch schon vor Erlass des entsprechenden Steuerbescheids. Die Vereinbarung ist dem Steuerbescheid zugrunde zu legen, für den die tatsächliche Verständigung bestimmt ist.

 
Praxis-Tipp

Geänderte Steuerbescheide müssen tatsächliche Verständigung berücksichtigen

Wichtig ist, dass die Bindungswirkung auch bestehen bleibt, wenn der die tatsächliche Verständigung enthaltende Steuerbescheid nach § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder nach § 165 AO vorläufig ergangen ist. Eine Änderung des Steuerbescheids lässt die Bindungswirkung grundsätzlich unberührt, d. h., die festgelegten Tatumstände gelten fort!

Ein einseitiger Widerruf der eigenen Verständigungserklärung ist grundsätzlich nicht möglich (und zwar auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung nicht steuerlich beraten war).[6]

Stimmt der Steuerpflichtige im finanzgerichtlichen Klageverfahren einer tatsächlichen Verständigung zu, die der Erledigung des gesamten Rechtsstreits dienen soll, jedoch lediglich die Änderung der angefochtenen Bescheide für 2 Streitjahre beinhaltet und für die übrigen Streitjahre eine Änderung ausschließt, kann ein nachträglicher Antrag auf Änderung der unverändert gebliebenen Bescheide keinen Erfolg haben.[7]

Von einer tatsächlichen Verständigung geht aufgrund des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung grundsätzlich keine Bindungswirkung aus.[8]

Erstattet das Finanzamt nach einer tatsächlichen Verständigung Umsatzsteuer zuzüglich Erstattungszinsen (§ 233a AO) für die strittigen Jahre, so sind die Erstattungszinsen, die der bilanzierungspflichtige Unternehmer im Wirtschaftsjahr der tatsächlichen Verständigung aktivieren muss, keine steuerbegünstigten"außerordentlichen Einkünfte" i. S. v. § 34 Abs. 1 EStG und § 34 Abs. 2 EStG.[9]

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