Rechtsfragen sind regelmäßig kein Fall für die tatsächliche Verständigung. Nicht zulässig ist die tatsächliche Verständigung daher, wenn

  • sie sich auf die Klärung zweifelhafter Rechtsfragen bezieht[1] oder
  • sie über den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen erzielt wird oder
  • sie die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften betrifft oder
  • sie zu einem "offensichtlich" unzutreffenden Ergebnis führt.

Der BFH beschränkt das Anwendungsverbot der tatsächlichen Verständigung auf "reine" Rechtsfragen. Er hat dabei in einigen Entscheidungen aber eine Tendenz zur Verquickung zwischen Sachverhaltselementen und Rechtsfolgen erkennen lassen.[2]

 
Praxis-Tipp

Trennung zwischen Sachverhaltsfeststellung und Rechtsfragen unter Umständen nicht möglich

In der Praxis ist eine klare Trennung zwischen Sachverhaltsfeststellung und Rechtsfragen häufig schwer, sodass bei geschickter Verhandlungsführung durchaus auch Rechtsfragen in den Sachverhalt "verlagern" werden können/sollten.[3] In finanzgerichtlichen Verfahren sind Prozessvergleiche, die eine Verständigung über die Sach- und Rechtslage beinhalten, unbestritten zulässig und üblich.

 
Praxis-Beispiel

Beispiele zweifelhafter Rechtsfragen

Nicht zum Sachverhalt (Tatsachen) gehören Rechtsfragen. Es handelt sich um eine Rechtsfrage, dass

  • Verkaufserlöse eines Bäckers Betriebseinnahmen sind;
  • der Kaufpreis eines beweglichen Wirtschaftsguts auf die übliche Nutzungsdauer abzuschreiben ist;
  • der Kauf eines Pkw seitens eines Unternehmers von einem Verbraucher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Über Rechtsfragen darf sich das Finanzamt nicht mit einem Steuerpflichtigen verständigen.[4] So kann man sich z. B. nicht über die Anwendung bei Vorliegen außerordentlicher Einkünfte i. S. d. § 34 EStG einigen. Die Auslegung einer tatsächlichen Verständigung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Sofern die Auslegung des FG den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, ist sie für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend.[5]

Der BFH hat entschieden, dass die Rechtsfrage, ob Schadensersatzleistungen bei schuldhaften, vorsätzlich begangenen Straftaten und einer Verurteilung als Werbungskosten abzugsfähig sind, nicht Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung sein kann.[6]

[2] BFH, Beschluss v. 31.8.2009, I B 21/09, BFH/NV 2010 S. 163; BFH, Beschluss v. 20.2.2014, XI B 85/13, BFH/NV 2014 S. 828: Verständigung der Beteiligten, in welchem Umfang Umsätze zum Regelsteuersatz und zum ermäßigten Steuersatz ausgeführt wurden.
[5] BFH, Urteil v. 16.9.2014, VIII R 1/12, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschluss v. 24.3.2016, 2 BvR 2951/14.

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