Leitsatz

Aminosäuremischungen, die zur Herstellung spezieller Säuglings- und Kindernahrung für Kuh­milchallergiker verwendet werden und durch deren Einsatz allergieauslösende Stoffe durch nicht allergieauslösende Ernährungsbausteine ersetzt werden können, sind in die Pos. 2106 KN und nicht in die Pos. 3003 KN einzureihen.

 

Normenkette

Pos. 2106, Pos. 3003 KN (= Kombinierte Nomenklatur)

 

Sachverhalt

Die Klägerin wendet sich aus in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen gegen die ihr erteilte vZTA, mit denen eingeführte Aminosäuremischungen, die für die Herstellung von Nahrung für Säuglinge und Kinder mit einer Kuhmilchallergie verwendet werden, zolltariflich als Lebensmittelzubereitungen eingereiht worden sind. Das FG wies die Klage ab (FG Hamburg, Urteil vom 19.9.2012, 4 K 21/11, Haufe-Index 3516577).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sowie nach Änderung des Klageantrags in einen Feststellungsantrag die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

 

Hinweis

Das BFH-Urteil ist die Folgeentscheidung zu dem EuGH-Urteil vom 17.9.2015, C–344/14, Kyowa Hakko Europe (EU:C:2015:615), welches auf ein Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden VII. Senats des BFH, Beschluss vom 20.5.2014, VII R 37/12 (BFH/NV 2014, 1483, BFH-PR 2014, 367) ergangen ist. Es geht um die immer wieder streitige Tarifierung von Lebensmitteln, die eine angebliche oder tatsächlich vorhandene gesundheitsfördernde bzw. -wiederherstellende Wirkung haben. Werden derartige Waren eingeführt, ist der Importeur bestrebt, sie wegen ihres therapeutischen Effekts als Arzneiwaren (zollfrei) abfertigen zu lassen. Werden diese Waren hingegen in Deutschland verkauft, wird regelmäßig um die tarifliche Einreihung als (bloße) Lebensmittelzubereitungen gestritten, für deren Lieferung (anders als bei Arzneiwaren) der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt.

So hatte auch die Klägerin des Streitfalls auf den therapeutischen und prophylaktischen Verwendungszweck der eingeführten Aminosäuremischungen hingewiesen und sich gegen die ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte (vZTA) gewandt, welche die Waren als Lebensmittelzubereitungen in die Pos. 2106 KN eingereiht hatten. Der BFH hatte diese Tarifauffassung der Zollverwaltung eigentlich für zutreffend gehalten, aber gleichwohl den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, weil es eine Gerichtsentscheidung eines britischen Upper Tribunal gibt, der zufolge die gleichen Waren wie diejenigen des Streitfalls als "Arzneiwaren" anzusehen sind. Der EuGH hat mit dem o.g. Urteil in EU:C:2015:615 wie folgt geantwortet:

"Die Kombinierte Nomenklatur (…) ist dahin auszulegen, dass Aminosäuremischungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die für die Nahrungszubereitung für Säuglinge und Kleinkinder mit Kuhmilchproteinallergie verwendet werden, als "Lebensmittelzubereitungen" in die Position 2106 dieser Nomenklatur einzureihen sind, soweit sie aufgrund ihrer objektiven Merkmale und Eigenschaften keine genau umschriebenen therapeutischen und prophylaktischen Eigenschaften aufweisen, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert, und daher nicht zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können und auch nicht naturgemäß zu einer medizinischen Verwendung bestimmt sind; dies festzustellen ist Sache des nationalen Gerichts."

Da das Vorabentscheidungsersuchen des BFH und die Antwort des EuGH viel Zeit gekostet hatten, waren die angefochtenen vZTA inzwischen wegen Zeitablaufs ungültig geworden, weshalb die Klägerin ihren Klageantrag änderte und nunmehr die Feststellung begehrte, dass die ihr erteilten vZTA rechtswidrig waren. Dem ist der BFH auf der Grundlage der vom EuGH erneut bekräftigten Einreihungskriterien für Arzneiwaren nicht gefolgt.

Nach der Vorabentscheidung des EuGH war zu prüfen, ob therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften eines Erzeugnisses auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus wirken und zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können. Dagegen hat ein Erzeugnis keinen eigenen therapeutischen Zweck, wenn es, ohne auf eine Krankheit einzuwirken oder sie heilen zu können, als bloßer Austauschstoff verwendet wird, der nur dazu dient, krankheitsauslösende Stoffe zu ersetzen. Zu berücksichtigen war des Weiteren die Anm. 1 Buchst. a zu Kap. 30 KN, der zufolge zu diesem Kapitel (pharmazeutische Erzeugnisse) nicht gehören: "Nahrungsmittel oder Getränke (wie diätetische, diabetische oder angereicherte Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, tonische Getränke und Mineralwasser), andere nicht intravenös zu verabreichende Nährstoffzubereitungen".

Daraus folgt (so der BFH), dass die besondere Eignung einer Ware für eine bestimmte Art der Ernährung (z.B. eine diätetische) nicht zu ihrer Einreihung als Arzneimittel führt, auch wenn diese Art der Ernährung zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens n...

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