1.1 Gegenstand der Stundung

Gestundet werden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, d. h. neben den Steueransprüchen auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen sowie Haftungsansprüche.

Dagegen ist nach § 222 Satz 3 AO eine Stundung zwingend ausgeschlossen bei einzubehaltenden Abzugssteuern (insbesondere Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, Einkommensteuer-Abzüge nach §§ 48, 50a EStG). Entsprechend verwehrt § 222 Satz 4 AO die Stundung des Haftungsanspruchs ­gegen den Entrichtungspflichtigen, ­soweit dieser Steuerabzugsbeträge einbehalten, oder Beträge, die eine Steuer enthalten, eingenommen hat.[1] Der Stundungsausschluss greift zwar nicht, soweit der Haftungsschuldner die Abzugssteuer nicht einbehalten hat.[2] Allerdings hat der BFH entschieden, dass die Tatsache, dass der Entrichtungsschuldner nur fremdes Geld abzuführen hat, regelmäßig der Annahme einer für die Stundung erforderlichen "erheblichen Härte" entgegensteht.[3] Zu beachten ist allerdings, dass der Stundungsausschluss des § 222 Satz 4 AO nicht greift, sofern es sich um pauschalierte Lohnsteuer (§§ 40-40b EStG) handelt, die der Arbeitgeber schuldet (§ 40 Abs. 3 EStG).

[1] Kritisch zu den gesetzlichen Einschränkungen nach § 222 Sätze 3 und 4 AO Tipke/Kruse § 222 AO Tz. 6 und 7.

1.2 Erhebliche Härte

Wichtigstes Kriterium, um das in der Besteuerungspraxis am häufigsten gestritten wird, ist die vom Gesetzgeber geforderte, den Steuerpflichtigen treffende "erhebliche Härte". Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten, vom Gesetz nicht näher definierten Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Auslegung bedarf. Liegt eine erhebliche Härte vor, ist die vom Finanzamt zu treffende Ermessensentscheidung i. d. R. so eingeengt, dass eine Ablehnung der Stundung ermessensfehlerhaft wäre.[1]

"Erhebliche Härte" ist mehr als die allgemeine Härte, die jeder Einziehung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis zugrunde liegt. Ob eine erhebliche Härte vorliegt, bedarf im Einzelfall der Güterabwägung zwischen den Interessen des Steuergläubigers auf vollständige und gleichmäßige Steuererhebung einerseits und dem Interesse des Schuldners unter Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen Gründe andererseits.[2]

Eine erhebliche Härte kann sich daraus ergeben, dass sich der Steuerpflichtige auf die Erfüllung des Steueranspruchs nicht rechtzeitig vorbereiten konnte oder er sich augenblicklich in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet. Allerdings hat der Steuerpflichtige, der aufgrund seiner abgegebenen Steuererklärungen mit Abschlusszahlungen rechnen muss, dafür Sorge zu tragen, dass im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entsprechende Mittel zur Verfügung stehen. Eine Stundung kommt nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen über die erforderlichen Mittel zum Fälligkeitszeitpunkt nicht verfügt und auch nicht in der Lage ist, sich diese Mittel auf zumutbare Weise zu beschaffen.[3]

Eine erhebliche Härte liegt auch nicht bereits dann vor, wenn der Steuerpflichtige sich einen Kredit nur gegen hohe Zinsen verschaffen kann. In der Höhe des Zinsfußes liegt nur dann eine unbillige Härte, wenn der Steuerpflichtige keinen Kredit mehr von seiner Geschäftsbank oder einer anderen Bank erhalten kann, sondern sich den Kredit anderweitig besorgen muss.

Eine erhebliche Härte kann sowohl aus sachlichen als auch aus persönlichen Gründen hergeleitet werden.

1.2.1 Sachliche Gründe

Sachliche Stundungsgründe ergeben sich unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Steuerschuldners aus der Tatsache, dass ein Steueranspruch fällig wird und den Umständen, die zur Fälligkeit zu dem bestimmten Zeitpunkt geführt haben. Der Umstand, dass eine Rechtsnorm unter verfassungsmäßigen Aspekten zweifelhaft ist, rechtfertigt keine Stundung, jedoch eine vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 AO) bzw. im Einspruchsverfahren die Verfahrensruhe (§ 363 Abs. 2 AO).

Sachliche Stundungsgründe können z. B. vorliegen, wenn

  • Vorauszahlungen aufgrund eines Steuerbescheids oder der eingereichten Steuererklärung für das Vorjahr kurz vor dem Vorauszahlungstermin wesentlich erhöht werden oder wenn Vorauszahlungen mit Abschlusszahlungen aufgrund des Steuerbescheids zusammentreffen[1]
  • sich hohe, nicht vorhersehbare Abschlusszahlungen aufgrund einer Außenprüfung ergeben;
  • der Steuerpflichtige zwar Steuern schuldet, andererseits jedoch Erstattungsansprüche bestehen. Eine Stundung (sog. Verrechnungsstundung) kommt dann in Betracht, wenn der Gegenanspruch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht und in absehbarer Zeit fällig werden wird. Zur Zeit der Einziehung des Steueranspruchs muss der Gegenanspruch bereits nach Grund und Höhe rechtlich wie tatsächlich schlüssig belegt sein und in naher Zeit fällig werden[2];
  • hohe ...

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