4.4.1 Grundlagen

 

Rz. 74

Die atypische stille Gesellschaft wird einkommensteuerrechtlich als Mitunternehmerschaft i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG qualifiziert. Die Besteuerung der atypischen stillen Gesellschaft erfolgt daher nach den allgemeinen Vorschriften für gewerbliche Mitunternehmerschaften.[1] Die atypische stille Gesellschaft ist darüber hinaus ebenso wie eine Personenhandelsgesellschaft mit Gesamthandsvermögen "Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifizierung."[2] Allerdings ist die atypische stille Gesellschaft selbst nicht einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtig.[3] Analog zur OHG und zur KG werden die von der atypischen stillen Gesellschaft erwirtschafteten Gewinne einkommensteuerrechtlich lediglich bei den Gesellschaftern anteilig erfasst. Der erwirtschaftete Gewinn der atypischen stillen Gesellschaft unterliegt bei den Gesellschaftern regelmäßig im Wirtschaftsjahr seiner Entstehung der Besteuerung und zwar unabhängig von etwaigen Gewinnausschüttungen oder Gewinnentnahmen.

 

Rz. 75

Für die Ermittlung der erwirtschafteten Gewinne und Verluste der atypischen stillen Gesellschaft sowie der Anteile der Gesellschafter an diesen Gewinnen und Verlusten ist nach h. M. eine Steuerbilanz der atypischen stillen Gesellschaft zu erstellen, obwohl neben der Handelsbilanz des Geschäftsinhabers keine Handelsbilanz der atypischen stillen Gesellschaft aufzustellen ist.[4] Unter Verwendung der erstellten Steuerbilanz der atypischen stillen Gesellschaft erfolgt im Rahmen einer zweistufigen Gewinnermittlung zunächst die Ermittlung des Anteils am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft (erste Stufe) und ggf. anschließend die Ermittlung des Ergebnisses aus dem steuerlichen Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter.[5] Obwohl die atypische stille Gesellschaft über kein handelsrechtliches Gesamthandsvermögen verfügt, besteht aufgrund der normierten einheitlichen Behandlung gewerblicher Innen- und Außengesellschaften die Notwendigkeit zur Erstellung einer fiktiven Gesamthandelsbilanz für steuerliche Zwecke, welche ggf. durch steuerliche Sonder- und Ergänzungsbilanzen der Gesellschafter erweitert wird.

 

Rz. 76

Sind mehrere Personen an einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften beteiligt und sind diese Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen, so erfolgt gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2 AO und § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.[6] Die gilt auch für die atypische stille Gesellschaft.[7]

 

Rz. 77

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH erweist sich die Tätigkeit einer atypischen stillen Gesellschaft als eigenständiger Gegenstand der Gewerbesteuer und zwar losgelöst von der Tatsache, dass die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Handelsgewerbe des Geschäftsinhabers lediglich auf einem schuldrechtlichen Verhältnis basiert.[8] Daraus ergibt sich, dass für die atypische stille Mitunternehmerschaft als Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ein eigenständiger Gewerbeertrag gemäß § 6 GewStG zu ermitteln ist. Dabei kann der Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 GewStG berücksichtigt werden.

 

Rz. 78

Die Regelungen zur Zinsschranke in § 4h EStG und in § 8a KStG wirken sich unter Umständen auch auf den stillen Gesellschafter aus.[9]

[1] Vgl. Schimpfky, in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 141.
[2] BFH, Urteil v. 26.11.1996, VIII R 42/94, BStBl 1998 II S. 328; ferner Wacker, in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 42. Aufl. 2023, § 15 EStG Rz. 347.
[3] Vgl. hierzu sowie zum Folgenden Levedag, in Blaurock, Handbuch stille Gesellschaft, 9. Aufl. 2020, Rz. 22.5.
[4] Vgl. stellvertretend Wacker, in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 42. Aufl. 2022, § 15 EStG Rz. 347 m. w. N. Zivilrechtlich muss die Einlage des stillen Gesellschafters in das Vermögen des Geschäftsinhabers übergehen. Die stille Gesellschaft besitzt insofern kein Gesellschaftsvermögen und es existiert damit auch keine Handelsbilanz der stillen Gesellschaft. Vgl. zu dieser Diskussion ausführlich Levedag, in Blaurock, Handbuch stille Gesellschaft, 9. Aufl. 2020, Rz. 22.22 ff.
[5] Vgl. hierzu sowie zum Folgenden Schimpfky, in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 141.
[6] Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO obliegt die einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dem Betriebsfinanzamt.
[7] Vgl. Zacharias/Hebig/Rinnewitz, Die atypisch stille Gesellschaft, 2. Aufl. 2000, S. 153; Levedag, in Blaurock, Handbuch stille Gesellschaft, 9. Aufl. 2020, Rz. 22.152. Zum Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinn- und Verlustfeststellung im Zusammenhang mit einer atypischen stillen Gesellschaft vgl. Zacharias/Hebig/Rinnewitz, Die atypisch stille Gesellschaft, 2. Aufl. 2000, S. 153 f. Zur einheitlichen und gesonderten Feststellung vgl. auch OFD Rostock, Verfügung v. 19.12.1999, S 2241 St 23, DStR 2000 S. 591 ff.
[9] Zu den Regelungen zur Zinsschranke vgl. Kußmaul/Weiler, ZSteu 2010, S. 26 ff. sowie "Mezzanines Kapital in der Rechn...

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