Bei mehreren Beschuldigten sollte von Beginn an bedacht werden, dass sich die Interessen, die zu Beginn des Verfahrens ggf. noch im Gleichklang erscheinen, mit der weiteren Entwicklung des Strafverfahrens unterschiedlich entwickeln können. Je mehr einzelne Organe eines Unternehmens in den Fokus der Steuerfahndung geraten, umso mehr werden diese geneigt sein, einen unabhängigen eigenen Verteidiger zu beauftragen und allein ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Allerdings kann der Koordinator des Beraterteams versuchen, zumindest eine sog. Sockelverteidigung in Absprache mit allen Verteidigern zu erreichen. Sockelverteidigung ist zulässig und bedeutet, dass sich die Verteidiger der einzelnen Beschuldigten über Gesichtspunkte informatorisch austauschen, die alle Beschuldigten gemeinsam betreffen. Wenn sich ein Beschuldigter separiert, drohen ggf. Informationen an die Medien durchgestochen zu werden oder die Ermittlungsbehörden spielen dann die Beschuldigten gegeneinander aus.

Eine Verteidigungsstrategie sollte umfassend und realistisch in ihren Zielen und Methoden sein. In der Praxis zeigt sich, dass eine Strategie ggf. nachjustiert werden muss, da dem Verteidiger nicht von Anfang an alle Sachverhalte bekannt sind. Zudem sind die Handlungen der anderen Akteure (Ermittlungsbehörden, Gerichte, Zeugen etc.) oft nicht sicher kalkulierbar. Zur Entwicklung einer Strategie gehören Überlegungen wie z. B.

  • Welcher Sachverhalt ist bisher durch die Ermittlungsbehörde nachgewiesen worden? Welche steuer- und strafrechtlichen Konsequenzen ergeben sich?
  • Realistische Ziele sollten festgelegt werden. Optimales Ziel wäre die Einstellung des Verfahrens bzw. ein Freispruch. Welche Sanktionen, also z. B. Bußgelder oder Geldstrafen, sind unvermeidbar? Droht im Extremfall Untersuchungshaft? Gewerberechtliche Sanktionen, wie z. B. eine Untersagung des Gewerbebetriebes durch das Gewerbeaufsichtsamt und die Eintragung in ein Führungszeugnis sollten berücksichtigt werden. Ggf. bietet es sich an, Zwischenziele festzulegen. Die Erreichung von Zwischenzielen dient auch dem Erfolgsnachweis gegenüber dem Beschuldigten und erleichtert ihm die Ungewissheit des weiteren Verfahrens.
  • Die möglichen Vorgehensweisen der Verteidigung sollten unter steuerlichen und auch strafrechtlichen Gesichtspunkten diskutiert werden. Hierzu kann ein Beraterteam gebildet werden.
  • Die (ggf. unterschiedlichen) Interessen der Beschuldigten und des Unternehmens sollten gesehen und definiert werden. Hierbei sind auch persönlicher Umstände der Beschuldigten zu berücksichtigen (Belastbarkeit, Reputationsverlust, Familie).
  • Die einzelnen Schritte in den steuerlichen und strafrechtlichen Verfahren sollten – soweit wie möglich – zeitlich und inhaltlich abgestimmt werden. Die Strategie ist einerseits soweit wie möglich im Voraus zu planen, muss jedoch im Einzelfall wie bei einem Schachspiel situativ angepasst werden.
  • Die beteiligten Steuerberater und Verteidiger können Ihr Rollenverhalten abstimmen.
  • Gegenüber beunruhigten Geschäftspartnern können Auskünfte, soweit sie zulässig sind, erwogen und abgestimmt werden.
  • Um künftiges steuerliches Fehlverhalten zu vermeiden, bietet sich ggf. eine unternehmensinterne Prüfung an, ob und welche internen Ermittlungen geboten sind. Derartige zukunftsgerichtete Maßnahmen können sich im Einzelfall – nach Absprache mit der Ermittlungsbehörde und ggf. dem Gericht – auch mildernd auf Strafen und Geldbußen auswirken. Dies gilt auch bei Einrichtung eines Compliance-Systems.

Gespräch mit der Ermittlungsbehörde

Ein erstes Gespräch des Verteidigers mit der Ermittlungsbehörde lohnt sich oftmals, um "zwischen den Zeilen zu lesen". Anhand der Äußerungen der Ermittlungsbehörde kann der erfahrene Verteidiger erste Rückschlüsse ziehen. Zudem wird klarer, wie die konkreten Vorwürfe lauten und auf welche Umstände diese sich stützen. Diese Informationen dienen dem Verteidiger, seine Strategie zu optimieren. Im Einzelfall kann es sich aufgrund des Gesprächs auch anbieten, durch Vorlage von Dokumenten und Schriftsätzen zunächst verdächtige Sachverhalte richtig zu stellen und dadurch den Anfangsverdacht ggf. auf einzelne Punkte zu beschränken. Allerdings wird der Verteidiger auch abwägen, ob er nicht lieber die Ermittlungsbehörde in einem tatsächlichen oder rechtlichen Irrtum belässt und sich zunächst zurückhält. Denn wenn die Behörde unnötige Energie in eine unzutreffende Sichtweise investiert, kann sie sich oft nicht mehr schwerpunktmäßig um diesen Fall kümmern, da auch weitere Fälle Personalkapazität binden.

Einlegung von Rechtsbehelfen

Der Verteidiger prüft außerdem vorsorglich, ob er ggf. Rechtsbehelfe gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse einlegen wird. Auch wenn Rechtsbehelfe oftmals keinen unmittelbaren Erfolg führen, weil die Behörde ihren Beschluss heilen kann, indem der Fehler beseitigt wird (z. B. durch einen neuen ersetzenden, nun fehlerfreien Beschluss), so kann sich eine Anfechtung dennoch empfehlen, wenn später z. B. ein Verwertungsverbot gelt...

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