Während das Besteuerungsverfahren durch die Finanzbehörde erfolgt, wird das Ermittlungsverfahren durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle geführt (§ 386 AO). In den Bundesländern bestehen unterschiedliche Organisationsformen, so dass die Straf- und Bußgeldsachenstellen teilweise eine Abteilung des jeweiligen Finanzamts oder eigenständige Behörden sind. Hierdurch ergeben sich jedoch keine Unterschiede in den Befugnissen der Behörden:

  • Das Finanzamt als steuerliche Behörde hat allein die Befugnisse gemäß der Abgabenordnung. Allerdings sollte nicht verkannt werden, dass insbesondere die Befugnis zur Schätzung gem. § 162 AO erhebliche Bedeutung haben kann. Schätzungen sind auch während laufender Steuerstrafverfahren zulässig, solange es sich um keine Strafschätzungen handelt.[1]
  • Hingegen kann die Straf- und Bußgeldsachenstelle im Steuerstrafverfahren auf die mächtigeren Befugnisse gemäß der Strafprozessordnung zurückgreifen. Hierzu zählen z. B. Durchsuchungen und Beschlagnahmen, welche aufgrund des grundgesetzlichen Richtervorbehalts von der Straf- und Bußgeldsachenstelle nur beantragt, aber nur durch einen Richter angeordnet werden dürfen (Ausnahme: Gefahr im Verzug). In der Praxis folgen die Richter allerdings oft entsprechenden Anträgen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Straf- und Bußgeldsachenstelle in den Fällen des § 208 AO (z. B. sog. Steueraufsicht) auch auf die Befugnisse der Abgabenordnung zurückgreifen kann. Allerdings ist während eines Steuerstrafverfahrens die Anwendung von Zwangsgeld gem. § 329 AO zur Durchsetzung steuerlicher Mitwirkungspflichten ausgeschlossen.[2] Hingegen ist dieser Ausschluss für das Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO gesetzlich nicht geregelt, so dass die Ansichten hierzu umstritten sind. Nach hier vertretener Ansicht dürfte nach der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit („nemo tenetur se ipsum accusare”) verstoßen. Auch diese Frage ist durch die Rechtsprechung nicht geklärt.[3] In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass das Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens nur den in dieser Norm genannten Zwangsmitteln, nicht jedoch dem Verzögerungsgeld entgegenstehe. Auch seien die Aufforderung zur Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung gem. § 284 AO und ein Verspätungszuschlag gem. § 152 AO weiterhin zulässig.[4]
 
Hinweis

Umfassendes Schweigerecht nur im Strafverfahren

Während dem Beschuldigten im Strafverfahren ein Schweigerecht zusteht, besteht im Besteuerungsverfahren nur in Ausnahmefällen ein Auskunftsverweigerungs- und Zeugnisverweigerungsrecht (§ 101 ff. AO).

Ist der Steuerpflichtige Beschuldigter in einem Steuerstrafverfahren, so bleibt er im Besteuerungsverfahren zur Mitwirkung (z. B. Aussage, Vorlage von Unterlagen), so dass er diese steuerlich nicht verweigern darf. Ausnahmsweise hat er ein Auskunftsverweigerungsrecht, z. B. wenn seine Aussage einen Angehörigen betreffen würde (§ 101 AO). Wenn er hingegen mitwirken muss und seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllt, darf das Finanzamt zwar keine Zwangsmittel gegen ihn anwenden (§ 393 Abs. 1 Satz 2 AO). Aber er trägt die sich aus seiner Weigerung ergebenden Nachteile im Rahmen der Feststellungslast. Dies bedeutet, dass er u. U. beispielsweise mit einer Schätzung gem. § 162 AO rechnen muss oder ihm bestimmte Betriebsausgaben aberkannt werden, weil er keine Nachweise erbringt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt, die nur er aufklären kann.

Verbleibt eine Uneinigkeit zwischen Behörde und Betroffenem, so stellt sich die Frage nach gerichtlichem Rechtsschutz. Die Doppelgleisigkeit der beiden Verfahren führt zu einer Trennung des Rechtsweges:

  • Im Besteuerungsverfahren ist gegen Maßnahmen, welche einen Verwaltungsakt darstellen (Steuerbescheid, Auskunftsersuchen, Aufforderung zur Vorlage von Informationen etc.) zunächst ein fristwahrender Einspruch einzulegen und das Einspruchsverfahren zu führen.
  • Hingegen sieht die Strafprozessordnung im Strafverfahren kein vorgeschaltetes Einspruchsverfahren bei der Straf- und Bußgeldsachenstelle vor. Vielmehr regelt die Strafprozessordnung (allerdings lückenhaft) spezielle gerichtliche Rechtsbehelfe. So besteht gegen behördlich angeordnete Durchsuchungen und Beschlagnahmen die Möglichkeit, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 98 StPO beim Amtsgericht zu stellen. Wenn die anzufechtende Maßnahme hingegen von einem Strafrichter angeordnet worden ist, ist die Beschwerde gem. § 304 Abs. 1 StPO der statthafte Rechtsbehelf. Zunächst entscheidet das Amtsgericht, welche die angefochtene Maßnahme erlassen hat, ob es der Beschwerde abhilft. Wenn keine Abhilfe erfolgt, entscheidet dann das Landgericht über die Beschwerde.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge