Zutreffend führt Minoggio aus: Zusätzlich ist es in den letzten Jahren ferner in der Praxis immer wichtiger geworden, an welchem Ort der Beschuldigte eine Steuerstraftat begangen hat. Die Intensität der strafrechtlichen Verfolgung der mit den strafrechtlichen Ermittlungen beauftragten Stellen, der Staatsanwaltschaften und teilweise auch der Gerichte ist in einer Art und Weise unterschiedlich geworden, wie man es sich kaum vorstellen kann.

Eine an dem einen Ort unter der Zuständigkeit der einen Staatsanwaltschaft begangene Steuerstraftat führt dort zu intensiver und konzentrierter Strafverfolgung, zur Anordnung von Untersuchungshaft mit formelhafter Begründung von Flucht- und Verdunkelungsgefahr allein wegen zu geringer Bereitschaft zur Mitwirkung an der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen. Anderenorts führt dagegen eine ebensolche Tat mit absolut vergleichbaren Umständen und identischem Steuerschaden möglicherweise noch nicht einmal zu intensiver Strafverfolgung, bleibt manchmal vollständig unaufgeklärt oder wird auch unter Berücksichtigung der fiskalischen Belange und des Strafverfolgungsangebotes mit Augenmaß und Ruhe einer Klärung zugeführt mit einer ganz erheblich geringeren Strafe.

Es ist daher auch für erfahrene Strafverteidiger immer wieder schwierig abzuschätzen, welches Maß an Intensität der Strafverfolgung und welche Sanktion der Betroffene einzukalkulieren hat. Dabei ist völlig ausgeschlossen, diese Prognose allein anhand der Gesetzestexte, der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren sowie der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahrenunter weiterer Zuhilfenahme der unterschiedlichen Strafzumessungstabellen zu treffen.[1]

Auffallend sind jedoch die großen Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Strafrechtlich für Steuerhinterzieher am Ungünstigsten ist die Region Hamburg. Hier werden doppelt so hohe Tagessätze bei den Geldstrafen verhängt als im vergleichbaren westlichen und östlichen Bundesgebiet (8 Tagessätze pro hinterzogene 500 EUR anstatt 4 bis 5 Tagessätze im Bundesdurchschnitt).

Mengenrabatte erhält man bei der Steuerhinterziehung im Rhein-Main-Gebiet und in Düsseldorf. Hier werden die Steuerstrafsachenstellen mit einer Flut von Großverfahren überzogen, so dass schon bei großen Fällen die Abarbeitung der Fälle mühevoll ist. Die Steuerstrafsachenstellen oder die involvierten Staatsanwaltschaften zielen mehr darauf ab, Mehrsteuern rechtskräftig festzusetzen und beizutreiben, als eine optimale Bestrafung zu erzielen.

Hingegen herrschen "normale" Verhältnisse in den süddeutschen Ländern (Bayern, Baden-Württemberg). Eine Hochburg der Steuerhinterziehung ist Berlin. Das dortige Finanzamt für Fahndung und Strafsachen hat große Probleme, Fälle der organisierten Kriminalität (Umsatzsteuer-Karusselle, Holz- und Bautenschutz, Erstellung von Scheinrechnungen etc.) zu bekämpfen. In den neuen Bundesländern befindet man sich teilweise noch immer in der Phase des Aufbaus von schlagkräftigen Bußgeld- und Strafsachenstellen. Jedoch sind hier die Strafgerichte teilweise besonders scharf. Richter versuchen hier aus ideologischen Gründen (nach dem Motto: Steuerhinterzieher schaden schwer dem Gemeinwohl) gelegentlich auch bei bloßen Bagatellfällen hohe Geld- oder sogar Freiheitsstrafen zu verhängen.

[1] Minoggio, Stbg 2001 S. 324.

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