BMF, 13.1.2012, IV D 3 - S 7279/11/10002

Der BFH hat in einem Rechtsstreit Zweifel, ob die deutsche Regelung des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 UStG in der vom 1.4.2004 bis zum 30.6.2010 geltenden Fassung, die für die Zeit vom 1.4.2004 bis zum 31.12.2006 auf der Entscheidung 2004/290/EG vom 30.3.2004 (ABl EU Nr. L 94/2004 S. 59) beruht, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, soweit sie Bauleistungen betrifft, die als Werklieferungen anzusehen sind, sowie darüber hinaus bei Bauleistungen, soweit Voraussetzung ist, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist, der derartige Leistungen selbst erbringt. Vor diesem Hintergrund hat er dem EuGH mit Beschluss vom 30.6.2011, V R 37/10 (BStBl 2011 II S. 842) Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist in Fällen, in denen sich Unternehmer für die Besteuerungszeiträume ab 2004 in außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren auf den o. a. Beschluss vom 30.6.2011 berufen und Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO bzw. § 69 Abs. 2 FGO beantragen, hinsichtlich dieser Anträge wie folgt zu verfahren:

  1. Soweit an den Leistungsempfänger in der Zeit vom 1.4.2004 bis zum 31.12.2006 Werklieferungen erbracht wurden, die als Bauleistungen anzusehen sind, kann Aussetzung der Vollziehung gewährt werden, wenn gegen den Umsatzsteuerbescheid unter Hinweis auf den BFH-Vorlagebeschluss (BFH-Beschluss vom 30.6.2011, V R 37/10, BStBl 2011 II S. 842) ein zulässiger außergerichtlicher oder gerichtlicher Rechtsbehelf erhoben worden ist. Eine Aussetzung der Vollziehung ist aber nur für Steuerbeträge möglich, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 2 UStG in der bis zum 30.6.2010 geltenden Fassung angemeldet hat und soweit er hierfür nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Dabei ist in jedem Einzelfall die Frage einer Sicherheitsleistung (§ 361 Abs. 2 Satz 5 AO, § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO) zu prüfen. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt allerdings in Fällen nicht in Betracht, in denen bei Bauleistungen der leistende Unternehmer im Ausland ansässig ist. In diesen Fällen beruht die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in der bis zum 30.6.2010 geltenden Fassung. Diese Regelung entspricht unstrittig Art. 194 Abs. 1 MwStSystRL. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt auch in den Fällen nicht in Betracht, in denen an den Leistungsempfänger Bauleistungen erbracht werden, die keine Werklieferungen sind, und der Leistungsempfänger bauleistender Unternehmer ist. Unstreitig ist auch nach dem o.a. BFH-Beschluss die Inanspruchnahme der Entscheidung 2004/290/EG vom 30.3.2004 durch die Bundesrepublik Deutschland für Bauleistungen, die keine Werklieferungen sind. Der BFH hinterfragt in seinem o.a. Beschluss, ob die Entscheidung 2004/290/EG vom 30.3.2004 auch partiell – hinsichtlich eines bestimmten Kreises von Abnehmern – von der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen werden konnte. Bejaht der EuGH diese Frage, ist die Regelung in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 UStG in der vom 1.4.2004 bis zum 30.6.2010 geltenden Fassung rechtmäßig. Verneint der EuGH eine partielle Inanspruchnahme der Entscheidung 2004/290/EG vom 30.3.2004, muss diese Entscheidung von der Bundesrepublik Deutschland auf alle Unternehmer als Leistungsempfänger erweitert werden. In jedem Fall liegt aber die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für bauleistende Unternehmer unstreitig innerhalb des Rahmens der Ermächtigung.
  2. Soweit die fraglichen Umsätze nach dem 31.12.2006 ausgeführt wurden bzw. werden, bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 2 UStG (seit 1.7.2010: § 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 2 UStG) mit dem Unionsrecht. Seit diesem Zeitpunkt ist unionsrechtliche Rechtsgrundlage für die Steuerschuldnerschaft für Bauleistungen (einschließlich Werkleistungen) Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Diese Regelung bezieht in jedem Fall eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Baudienstleistungen und für derartige Umsätze, die als (Werk-) Lieferungen anzusehen sind, mit ein. Weiterhin handelt es sich um eine fakultative Regelung, die die EU-Mitgliedstaaten sowohl in vollem Umfang als auch nur partiell in Anspruch nehmen können (vgl. Art. 199 Abs. 2 MwStSystRL). Dementsprechend kann keine Aussetzung der Vollziehung gewährt werden, wenn sich der Steuerpflichtige nur auf den BFH-Vorlagebeschluss vom 30.6.2011, V R 37/10 (BStBl 2011 II S. 842) beruft.
 

Normenkette

UStG i.d.F. bis 30.6.2010 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4

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