Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die Auslegung der Ermächtigung 2004/290/EG des Rates v. 30.3.2004 (ABl. EU 2004 Nr. L 94, 59). Der BFH stellte Fragen im Zusammenhang mit der im Jahr 2005 geltenden Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Bauleistungen nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 2 UStG in der in diesem Jahr geltenden Fassung, die auf dieser Ermächtigung beruht. Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für nach dem 31.12.2010 erbrachte Bauleistungen (§ 13b Absatz 2 Nummer 4 und Absatz 5 Satz 2 UStG) beruht auf Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Diese Regelungen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, die Erschließung und die Bebauung von Grundstücken. Im September 2004 beauftragte die Klägerin ein Generalunternehmen G mit der Erstellung eines Wohnhauses mit sechs Wohnungen zu einem Pauschalpreis. Für ihre Leistung erteilte G am 17.11.2005 eine Schlussrechnung ohne Umsatzsteuerausweis, in der sie auf die Steuerschuldnerschaft der Klägerin als Leistungsempfängerin hinwies. Die Klägerin versteuerte zunächst die von ihr im Streitjahr 2005 bezogene Leistung als Steuerschuldnerin, machte später aber geltend, dass die Voraussetzungen für eine in ihrer Person entstandene Steuerschuld nicht vorlägen. Das Finanzamt folgte dem nicht, sondern ging davon aus, dass die Klägerin nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 UStG Steuerschuldnerin sei.

Im Streitfall war entscheidungserheblich, ob sich der Begriff der Bauleistung im Sinne der Ermächtigung 2004/290/EG nur auf Dienstleistungen bezieht oder auch Lieferungen umfasst. Die Ermächtigung 2004/290/EG definiert den Begriff der Bauleistungen nicht. Bauleistungen können sowohl Lieferungen als auch Dienstleistungen sein. Für die Annahme, dass Bauleistungen in Lieferungen und Dienstleistungen bestehen können, sprach für den BFH, dass der Begriff der Leistung als Oberbegriff für Lieferungen und Dienstleistungen verstanden werden kann.

Der zweite Absatz der Erwägungsgründe der Ermächtigung 2004/290/EG, der sich neben dem "Gewerbe der Gebäudereinigung" auch auf das "Baugewerbe" bezieht, lasse - so der BFH -eine Auslegung zu, nach der der Begriff "Bauleistungen" alle Leistungen und damit Lieferungen und Dienstleistungen umfasst, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, der Änderung oder Beseitigung von Gebäuden dienen. Gleichwohl war für den BFH zweifelhaft, ob sich der in der Ermächtigung 2004/290/EG verwendete Begriff der Bauleistung nicht auf Baudienstleistungen beschränkt.

Die Entscheidungserheblichkeit der ersten Vorlagefrage beruhte darauf, dass es sich bei der von der Klägerin bezogenen Leistung, (Errichtung eines Gebäudes), um eine Lieferung handelt. Würde die Ermächtigung 2004/290/EG die Anordnung einer Steuerschuld des Leistungsempfängers nur für die Bauleistungen gestatten, bei denen es sich um Dienstleistungen handelt, nicht aber auch für Lieferungen, wäre die Klägerin zwar nach § 13b UStG, nicht aber auch nach der Ermächtigung 2004/290/EG Steuerschuldnerin, so dass das für sie günstigere Unionsrecht zu berücksichtigen wäre.

Sollte die Ermächtigung 2004/290/EG die Anordnung einer Steuerschuld des Leistungsempfängers auch für Baulieferungen gestatten, war für den BFH weiter entscheidungserheblich, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Steuerschuld des Leistungsempfängers nach Art. 2 Nr. 1 der Ermächtigung 2004/290/EG für alle Baulieferungen und dabei entsprechend Art. 1 dieser Ermächtigung für Lieferungen an alle Steuerpflichtigen anzuordnen oder ob es ihnen offensteht, insoweit zwischen verschiedenen Arten von Baulieferungen und Leistungsempfängern zu differenzieren. Sollte eine derartige Berechtigung nicht bestehen, stellte sich die Anschlussfrage, welche Rechtsfolgen sich aus einer dann unzulässigen Untergruppenbildung ergeben.

Die Entscheidungserheblichkeit der zweiten Vorlagefrage ergab sich daraus, dass § 13b UStG keine Steuerschuld des Leistungsempfängers für alle Baulieferungen, sondern nur für Werklieferungen nach § 3 Abs. 4 UStG anordnet, so dass die Vorschrift nicht z.B. die bloße Lieferung von Baumaterial erfasst. Der BFH war in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass ein Unternehmer, der auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet, an den Grundstückseigentümer eine derartige Werklieferung ausführt (vgl. z.B. BFH v. 24.7.1969, V R 9/66, BStBl II 1970, 71 zur gleichlautenden Bestimmung in § 3 Abs. 2 UStG 1951). Bedenken gegen eine Untergruppenbildung nach § 3 Abs. 4 UStG ergaben sich für den BFH auch daraus, dass für diese Vorschrift keine Rechtsgrundlage in der 6. EG-Richtlinie besteht und die Vorschrift möglicherweise mit den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung zur Abgrenzung von Lieferungen und Dienstleistungen (vgl. z.B. EuGH-Urteil v. 29.3.2007, C-111/05, Aktiebolaget NN), nicht in Einklang stehe.

 

Entscheidung

Der EuGH hat die deutsche Rechtslage grundsätzlich bestätigt und festgestellt, das...

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