Rz. 100

Steuerrisiken können insbesondere aus Betriebsprüfungsrisiken sowie Risiken aus finanzgerichtlichen Verfahren resultieren. Diese Risiken sind nach den allgemeinen Passivierungsgrundsätzen zu behandeln. Am Bilanzstichtag ist jeweils zu prüfen, ob eine hinreichend konkretisierte und quantifizierbare Verpflichtung vorliegt.[1] Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine solche Verpflichtung am Bilanzstichtag vor, wenn mehr Gründe für die Inanspruchnahme sprechen als dagegen.[2] Für die Bildung von Steuerrückstellungen in der Handelsbilanz ist es nicht erforderlich, dass mit der Betriebsprüfung begonnen wurde oder bereits konkrete Sachverhaltsqualifikationen des Steuerpflichtigen bereits beanstandet wurden.[3] Allerdings ist es für die Bildung von Steuerrückstellungen auch nicht ausreichend, wenn "nach allgemeiner Erfahrung eine Betriebsprüfung zu Steuernachzahlungen führt".[4]

Stattdessen müssen für die Bildung von Steuerrückstellungen Einzelsachverhalte nachgewiesen werden, aufgrund derer mit einer Steuernachforderung zu rechnen ist, insbesondere im Falle der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Prüfer im Rahmen einer Betriebsprüfung oder Steuerfahndungsprüfung.[5]

Eine hinreichende Konkretisierung ist beispielsweise im Zusammenhang mit Streitfragen gegeben, welche Gegenstand laufender Finanzgerichtsverfahren sind.[6]

 

Rz. 101

Sofern das Unternehmen Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren ist, liegt das für die Rückstellungsbildung erforderliche Kriterium der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme stets vor, da der Ausgang eines Rechtsstreits regelmäßig unsicher ist.[7]

 

Rz. 102

Rückstellungen für Betriebsprüfungsrisiken und Risiken im finanzgerichtlichen Verfahren sind bilanziell wie die entsprechenden noch nicht veranlagten Steuern als Steuerrückstellungen bzw. Rückstellungen auszuweisen (Rz. 55, 57).

 

Rz. 103

Falls es im Rahmen von Betriebsprüfungen oder eines finanzgerichtlichen Verfahrens zur Festsetzung von Mehrsteuern kommt, werden handelsrechtlich die über die hierfür vorgesehenen Rückstellungen hinausgehenden Mehrsteuern als Aufwand des Geschäftsjahrs erfasst, in dem die Festsetzung erfolgt bzw. in dem sich die Mehrbelastung hinreichend konkretisiert.[8]

Hingegen sind fehlerhafte Jahresabschlüsse, d. h. Jahresabschlüsse, die unter einem schwerwiegenden Mangel leiden, die zur Nichtigkeit führen, verpflichtend rückwirkend zu ändern.[9] Dies kommt insbesondere bei einer signifikanten Unterbewertung oder einem gar fehlenden Ansatz von Steuerrückstellungen in Betracht.[10]

[1] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 16. Aufl. 2021, S. 175 ff.
[3] Vgl. Marx, Steuern in der externen Rechnungslegung, 1998, S. 95.
[4] Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 473; H 4.9 EStH "Rückstellung für künftige Steuernachforderungen".
[5] Vgl. BFH, Urteil v. 27.11.2001, VIII R 36/00, BStBl 2002 II S. 731; BFH, Urteil v. 22.08.2012, X R 23/10, BStBl 2013 II S. 76 sowie IDW, WP Handbuch, 18. Aufl. 2023, Kap. F Rz. 615; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 16. Aufl. 2021, S. 443.
[6] Vgl. Marx, Steuern in der externen Rechnungslegung, 1988, S. 95; Scheffler, in Böcking u. a., Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 233 Rz. 446, Stand: 1/2021.
[7] Vgl. Scheffler, in Böcking u. a., Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 233 Rz. 446, Stand: 1/2021.
[8] Vgl. zur steuerlichen Behandlung Rz. 179 ff.
[9] Vgl. IdW, WP Handbuch, 18. Aufl. 2021, Kap. B Rz. 327 ff.
[10] Vgl. Marx, Steuern in der externen Rechnungslegung, 1988, S. 97.

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