Erhebliche Rechtsunsicherheit und unwägbare Risiken haben sich infolge der Änderung des § 17 EStG (steuerliche Erfassung von stillen Reserven bei wesentlichen Beteiligungen) ergeben. Dies wurde insbesondere durch eine Gesetzesänderung, die rückwirkend ab VZ 1999 galt, bewirkt, wonach der Veräußerer statt bisher 25 % bereits mit einer 10 %igen unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung nunmehr den Veräußerungsgewinn versteuern müsste.[1]

 
Praxis-Beispiel

Rückwirkende Erfassung von stillen Reserven bei wesentlichen Beteiligungen

X hat seit dem VZ 1996 eine 20 %ige Beteiligung an der Z-GmbH. Nachdem er davon hört, dass die rot-grüne Bundesregierung die Beteiligungsgrenze von 25 % auf 10 % senken will, reduziert er noch seine Beteiligung auf 9,9 % und verkauft die Differenz mit einem erheblichen Gewinn im Jahr 1998. Die restlichen 9,9 % hält er weiter und verkauft diese im Juli 1999. Fraglich ist, ob die 10-%-Grenze rückwirkend für die letzten 5 Jahre gem. § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG gilt und somit letztendlich sämtliche Anteilsverkäufe zu versteuern sind.

Diese Frage ist nicht nur akademischer Natur, sondern hatte insbesondere bei Restrukturierungsvorgängen am neuen Markt, wo damals gigantische Veräußerungsgewinne partiell realisiert wurden, eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Die Problematik hat sich noch dadurch verschärft, dass die Beteiligungsgrenze im Rahmen der Unternehmenssteuerreform ab 2002 auf 1 % reduziert worden ist, sodass sich das Problem – wenn auch nicht mit derselben volkswirtschaftlichen Bedeutung – nun nochmals entsprechend stellt.[2]

Fraglich ist, ob es ausreicht, wenn der Veräußerer innerhalb der Fünfjahresfrist des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vor dem 1.1.1999 mit mindestens 10 % (aber nicht mehr als 25 %) beteiligt war. Zwar heißt es in Abs. 1 Satz 4 EStG "beteiligt war", andererseits stellt aber Abs. 1 Satz 1, in welchem die Fünfjahresfrist geregelt ist, unverändert darauf ab, ob der Veräußerer innerhalb dieser Frist "wesentlich beteiligt war", sodass es nach einer Meinung darauf ankommt, dass bereits vor dem 1.1.1991 eine wesentliche Beteiligung nach altem Recht, also von mehr als 1/4, vorlag. Eine solche Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der zukunftsorientierten Fünfjahresfrist. Dies gilt analog für die Reduzierung der wesentlichen Beteiligung ab 2002 auf 1 %.[3]

Dem wird jedoch im Schrifttum widersprochen. Es wird nämlich auch die Auffassung vertreten, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes auch Gewinne aus derartigen Veräußerungen erfasst werden, wenn sie in der Zeit vor dem 1.1.1999 nach der damals geltenden Fassung des § 17 EStG – Erfordernis einer Beteiligung von mehr als 1/4 – noch keine wesentliche Beteiligung bestanden hat. Dies wird unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung und einer fehlenden Planungswidrigkeit abgelehnt.[4]

Neben der divergierenden Gesetzesinterpretation beim Wortlaut des § 17 EStG werden hinsichtlich der faktischen Rückwirkung der 10 %-Grenze dahingehend verfassungsrechtliche Einwände erhoben, dass hierin ein Verstoß gegen das rechtstaatliche Rückwirkungsverbot bzw. den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung[5] anzunehmen ist.[6]

Die neue Beteiligungsgrenze gilt nach Auffassung des Gesetzgebers für alle Veräußerungen ab dem VZ 1999. Es bestehen dabei keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass dabei auch solche Wertzuwächse der Besteuerung im Veräußerungsfalle unterliegen, die bis zur Änderung des Gesetzes nicht steuerbehaftet gewesen sind.

Von einer gesonderten Feststellung des als Anschaffungskosten geltenden gemeinen Werts der Beteiligungen, die infolge der Gesetzesänderung in die Steuerverhaftung gelangen, zum 1.1.1999, wird abgesehen.

Ein solches Bewertungsverfahren für diese Anteile würde zu einem unzumutbaren Aufwand sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung führen. Ein derartiges Feststellungsverfahren wäre sehr streitanfällig und würde zu langwierigen Rechtsbehelfsverfahren führen. Des Weiteren wäre die Schlechterstellung einer solchen Beteiligung, die von ursprünglich unter 10 % auf mindestens 10 % ansteigt, mit der Folge, dass damit auch – wie auch schon bei der geltenden Rechtslage – die zuvor angesammelten Wertzuwächse steuerverstrickt sind, nicht zu rechtfertigen. Eine noch so kurze relevante Beteiligung innerhalb der letzten 5 Jahre verstrickt alle Anteilsveräußerungen.[7]

Folglich wussten die Betreffenden nicht, wie sie sich in der Vergangenheit verhalten sollten, insbesondere bei größeren Engagements in der Grenze von 10 % – 25 % bzw. später 0,0 % bis 1,0 % innerhalb der genannten Fünfjahresfrist vor 1999 bzw. vor 2002. Die Finanzverwaltung hat sich von Anfang an festgelegt, von einer stringenten Rückwirkung der Regelung auszugehen. Somit war der Steuerpflichtige verpflichtet, entsprechende Veräußerungsgewinne zumindest in der Steuererklärung deutlich zu machen bzw. zu erklären, warum er von einer abweichenden Rechtsauffassung und von einer steuerfreien Veräußerung ausging (Offenbarungspflicht des Sachverhalts auf...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge