Praxis-Beispiel

Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung aufgrund falscher Annahme

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für X für das Jahr 2017 auf der Basis der vorliegenden Einkommensteuererklärung 2015, in der ein Gewinn von 125.000 EUR ausgewiesen war, auf 11.000 EUR vierteljährlich fest.

Anfang 2017 gab X anlässlich eines Termins bei seinem Steuerberater an, dass der Gewinn 2017 ähnlich schlecht ausfallen werde wie 2016.

Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz für 2017 waren zwar noch nicht erstellt, es lagen aber betriebswirtschaftliche Auswertungen vor, die die Angaben des Mandanten zunächst bestätigten.

Der Berater beantragte deshalb am 8.2.2017, die Vorauszahlungen auf der Basis eines Gewinns von 25.000 EUR festzulegen.

Anfang 2018 stellten Steuerberater und Mandant anlässlich der Besprechung der 2016er Bilanz fest, dass der Gewinn für 2017 voraussichtlich 60.000 EUR betragen werde und somit beim Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen von einer falschen Annahme ausgegangen wurde.

X – beraten durch seinen Steuerberater – hat keine unrichtigen Angaben i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Steuerhinterziehung durch positives Tun) gemacht. Zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Herabsetzung der Vorauszahlungen vom 8.2.2073 war dieser nicht unrichtig. Er beruhte auf einer Prognose anhand der damals bekannten Fakten; nach dem seinerzeit vorliegenden Erkenntnisstand wäre in 2017 ein Gewinn von 25.000 EUR erzielt worden. Anders wäre die Sachlage hinsichtlich des objektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung (unrichtige Angaben) zu beurteilen, wenn der Antrag z. B. im Oktober 2017 gestellt worden wäre und der Gewinn zu diesem Zeitpunkt z. B. bereits 60.000 EUR betragen hätte.

Das Finanzamt muss sowohl die objektive Unrichtigkeit des Antrags als auch den Umstand beweisen, dass der Antragsteller – Steuerpflichtiger oder Steuerberater – die Unrichtigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung kannte. Wird z. B. wegen einer vom Finanzamt auf Grund der Jahressteuererklärung unterstellten Selbstanzeige[1] – ein Strafverfahren eingeleitet, besteht für den Beschuldigten ein Aussageverweigerungsrecht.[2]

Wird die Abschlusszahlung bezahlt, sodass es zu einer Bestrafung nicht mehr kommen kann, besteht im Besteuerungsverfahren für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen die Auskunftspflicht.[3]

Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen[4]einer nachträglichen Berichtigung gem. § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO lag gleichfalls nicht vor. Voraussetzung einer Berichtigungspflicht gem. § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO ist es nämlich, dass ein seinerzeit gestellter Antrag unrichtig oder unvollständig war.

Umstritten ist allerdings, ob in den genannten Fällen eine Berichtigungspflicht gem. § 153 Abs. 2 AO (nachträgliches Wegfallen der Voraussetzungen einer sonstigen Steuervergünstigung) besteht. Die Finanzverwaltung sieht in der Herabsetzung von Vorauszahlungen keine Steuervergünstigung und verneint deshalb in Fällen wie im obigen Beispiel eine Berichtigungspflicht.[5]

Anderer Ansicht ist Dumke. Er sieht die Herabsetzung der Vorauszahlungen als eine "sonstige Steuervergünstigung" an, die dem Begriff des Steuervorteils i. S. v. § 370 AO entspreche. Auch Joecks bezeichnet die Herabsetzung der Vorauszahlung als einen Steuervorteil.[6]

Nach der Ansicht von Dumke wäre ein Steuerpflichtiger, der einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen gestellt hat, verpflichtet, dem Finanzamt unverzüglich mitzuteilen, wenn die Voraussetzungen für die Herabsetzung nachträglich wegfielen. Täte er dies nicht, läge die Tathandlung i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (pflichtwidriges Unterlassen) vor. Fraglich wäre aber der Zeitpunkt des Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolgs; dieser bestünde nämlich im Ausbleiben einer zutreffenden Vorauszahlungs-Festsetzung. Normalerweise ist eine Steuerhinterziehung mit der Bekanntgabe eines Bescheids über eine zu niedrige Steuerfestsetzung vollendet und beendet; hier besteht jedoch der Erfolg im Unterbleiben einer zeitnahen Erhöhung der Vorauszahlungen.

Der Vollendungs- bzw. Beendigungszeitpunkt kann auch nicht dahingestellt bleiben. Abgesehen von der Notwendigkeit der Bestimmung der Strafverfolgungsverjährung zeigt bereits ein Blick auf die Kunstfigur des "allgemeinen Abschlusses der Veranlagungsarbeiten" in den Fällen der Nichtabgabe von Steuererklärungen, dass von der Rechtsprechung das Erfordernis gesehen wurde, auch für die Fälle des Unterbleibens einer Festsetzung ("Nichtfestsetzung") einen Tatvollendungszeitpunkt zu fixieren. Es wäre somit zu ermitteln, wann eine zutreffende Vorauszahlungs-Festsetzung erfolgt wäre.

Hätte der Steuerberater nachträglich bemerkt, dass die ursprünglich angenommenen Voraussetzungen für die Herabsetzung einer Vorauszahlung nachträglich weggefallen[7] sind, gelangt man zu der allgemeinen Streitfrage, ob der Steuerberater berichtigungspflichtig i. S. v. § 153 AO ist.

Zusätzlich zu der Frage, ob der Steuerberater Anzeigeverpflichteter i. S. v. § 153 AO ist, besteht das oben erörterte Problem, ob...

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