Im Rahmen einer Schätzung können durch Reduzierung des Beweismaßes möglicherweise Einkünfte aus Kapitalvermögen hinzugeschätzt werden. Inwieweit der BFH die Annahme eines entsprechenden finanzgerichtlichen Anscheinsbeweises angesichts dieser Erfahrungen annehmen würde, lässt sich jedoch noch nicht voraussagen. Es ist auch anzumerken, dass in diesen sog. CD-Fällen Daten teilweise nicht direkt kopiert sind, sondern händisch abgeschrieben und anschließend in eigene elektronische Zusammenstellungen kompiliert werden. Angesichts des großen Ausmaßes der Daten und Zahlenmengen sind hier Irrtümer, Fehler, aber auch eine bewusste Verdrehung von Sachverhalten gerade nicht auszuschließen. Bei solchen Zweifeln an der Authentizität von Daten muss auch bereits im steuerlichen Ermittlungsverfahren diesen nachgegangen werden. Ein Verweis auf die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bei Auslandssachverhalten ändert daran grundsätzlich nichts.

Umstritten ist, ob Publikationen in der Presse, dass eine CD von einem bestimmten Bankinstitut aufgekauft worden ist, bereits zu einer Tatentdeckung und damit zu einem Ausschluss der Selbstanzeige führen. Bei den Fällen, bei denen über den Ankauf einer Daten-CD Kapitalanleger als Steuerhinterzieher enttarnt wurden, kommt nach herrschender Meinung erst eine Tatentdeckung in Betracht, wenn die Behörden die dort gespeicherten Kapitalerträge darauf hin abgeglichen haben, ob sie Eingang in die jeweilige Steuererklärung gefunden haben. Anders verhält es sich nur nach der neueren Rechtsprechung des BGH, wenn der Steuerpflichtige bisher überhaupt nicht steuerlich erfasst war, weil dann offensichtlich ist, dass er seinen steuerlichen Verpflichtungen in der Vergangenheit nicht nachgekommen ist. Solange der Betroffene nicht weiß, ob er sich auf der CD befindet, wird man überdies davon auszugehen haben, dass er noch nicht von der Tatentdeckung wissen musste.[1]

Für den Fall, dass der Steuerpflichtige aus einer offensichtlich zugänglichen Quelle (Mitteilung in den Medien, insbesondere Tageszeitungen, Radio, TV) über bestimmte Ankäufe von Steuer-CDs informiert wurde, stellte sich die Frage, ob dann bereits von einer Rechnenmüssen im Rahmen einer Tatentdeckung der Fall sei. In einem solchen Fall hat ein Oberlandesgericht ein Rechnenmüssen mit der Tatentdeckung bereits dann angenommen, wenn sich dem Täter aufgrund den gegen ihn bekannten Umstände die Tatentdeckung aufdrängen musste.[2]

Diese Rechtsprechung widerspricht der bisherigen ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, die allerdings relativ antiquiert ist. Sie geht davon aus, dass die Tatendeckung erst beim individuellen Abgleich zwischen Kontrollmaterial oder öffentlich-publizierten Daten mit der konkreten Steuerakte des Steuerpflichtigen eintritt. Es wird abzuwarten sein, ob der BGH dieser fiskalischen Linie des Schleswig-Holsteinischen OLG folgt oder sich von dieser distanziert.[3]

[1] Fehling/Rothbächer, DStZ 2008 S. 821 ff.; Gehm, NJW 2010 S. 2161, 2164; Mückenberger/Iannone, NJW 2012 S. 3481 ff.; differenzierend auch Habammer, DStR 2010 S. 2425, 2431; Löwe-Krahl, PStR 2012 S. 245 ff.; für die "frühe" Annahme der Tatentdeckung Roth, Stbg 2013 S. 29, 33; hierzu kritisch Bach, PStR 2012 S. 248 ff. unter Bezugnahme der Verfügung der OFD Karlsruhe betreffend Credit Suisse Life Bermuda Ltd.
[2] Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss v. 30.10.2015, 2 Ss 63/15 (71/15), wistra 2016 S. 119.
[3] BGH, Urteil v. 13.10.1983, 3 StR 82/83, wistra 1983 S. 183; Urteil v. 24.10.1984, 3 StR 315/84, wistra 1985 S. 74; Urteil v. 27.4.1988, 3 StR 55/88, wistra 1988 S. 308; vgl. auch BFH, Urteil v. 26.11.2008 X R 20/07, BStBl 2009 II S. 388; hierzu Dörn, DStZ 1994 S. 620 ff.; ders., StBp 1997 S. 493 ff.; ferner Wulf, Stbg 2001 S. 175 ff., allerdings zu § 7 Satz 1 Nr. 1 lit b StraBEG.

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