Die Anordnung einer Durchsuchung steht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Sie muss

  • zur Schwere der Straftat (bei Steuerhinterziehung also zur Höhe der wahrscheinlichen Verkürzungsbeträge und zum Verkürzungszeitraum) und zur Stärke des Tatverdachts (sind die Anhaltspunkte/Indizien für einen Tatverdacht ausreichend?) in angemessenem Verhältnis stehen,
  • zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein (diese Voraussetzung fehlt z. B., wenn die durch die Durchsuchung zu ermittelnden Tatsachen bereits bekannt sind) und
  • Erfolg versprechen, geeignete Beweismittel zu erbringen.[1]

Auch für die Durchführung der Durchsuchung selbst gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

 
Praxis-Beispiel

Verhältnismäßigkeit einer Hausdurchsuchung[2] – Ausschnitte aus der Urteilsbegründung

„Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts erlaubte zwar ausdrücklich auch die Durchsuchung der Wohnräume, entband aber die Beamten nicht von der Pflicht, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten und zunächst dort zu suchen, wo die Suche am ehesten Erfolg versprach, nämlich in den Praxisräumen. Es sprach zumindest eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich nicht nur Namensregister und Mandantenakte, sondern auch die gesuchten Bankbelege in der Praxis befanden.

Die Durchsuchung hätte deshalb nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst allein auf die Praxisräume konzentriert werden müssen. Es war unverhältnismäßig und mithin rechtswidrig, in der Wohnung des Beschuldigten mit einer Durchsuchung zu beginnen, obwohl praktisch keine Aussicht darauf bestand, die gesuchten Gegenstände aufzufinden. Der Eingriff in die Rechtssphäre des Beschuldigten ist von besonderer Schwere, weil Intensität und Umfang der gegen ihn durchgeführten Zwangsmaßnahme zu dem ursprünglich vorhandenen Tatverdacht völlig außer Verhältnis stehen.

Ausgangspunkt der Ermittlungen war der Zweifel, ob es sich bei dem H-Konto um ein echtes Anderkonto oder um ein getarntes Eigenkonto des Beschuldigten handelte. Daraus resultierte schließlich eine mehrstündige, mit hohem Personaleinsatz vorgenommene Durchsuchung der Praxis und der Wohnräume einschließlich des ehelichen Schlafzimmers, obwohl das Amtsgericht eine einschneidende Beschränkung des Durchsuchungszwecks angeordnet hatte und der Beschuldigte überdies gleich zu Beginn der Durchsuchung eine Möglichkeit der Aufklärung angeboten hat, die jede weitere Suche entbehrlich machte.”

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, z. B. dem Zeitpunkt oder dem Umfang der Durchsuchung, haben die Strafverfolgungsbehörden aber nicht nur die berechtigten Belange des Beschuldigten zu beachten, sondern auch die Bedeutung des in Rede stehenden Tatvorwurfs, das Beschleunigungsinteresse und auch ermittlungstaktische Gesichtspunkte.[3]

Bei der Anordnung von Durchsuchungen von Kanzleiräumen und Wohnungen von Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe ist Zurückhaltung angezeigt.

Die Durchsuchung auch beruflich genutzter Räume greift in schwerwiegender Weise in das Grundrecht aus Art. 13 GG ein. Auch wenn eine solche Durchsuchung nicht unmittelbar den Schutzbereich der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG berührt, haben die Strafverfolgungsbehörden das Ausmaß der – mittelbaren – Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen zu berücksichtigen.

Die herausgehobene Bedeutung der Berufsausübung eines Rechtsanwalts für die Rechtspflege und für die Wahrung der Rechte seiner Mandanten gebieten die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, auch wenn die Beschlagnahme und die auf sie gerichtete Durchsuchung bei einem als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalt durch § 97 StPO nicht generell ausgeschlossen ist, wenn dieser selbst Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren ist.[4]

[1] BVerfG, Beschluss v. 26.5.1976, 2 BvR 294/76, NJW 1976 S. 1735; LG Köln, Beschluss v. 25.4.1983, 117 Qs 3/83, StV 1983 S. 275.
[2] LG Bonn, Urteil v. 1.7.1980, 37 Qs 57/80, NJW 1981 S. 292; LG Koblenz, Beschluss v. 20.3.2003, 4 QS 110/01, StraFo 2002 S. 248.
[3] BVerfG, Beschluss v. 26.3.1984, 2 BvR 201/84, wistra 1984 S. 221.

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