Leitsatz

Nimmt der Steuerpflichtige den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG in Anspruch, so ist eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG ausgeschlossen, soweit die Aufwendungen mit dem Behindertenpauschbetrag abgegolten sind.

 

Normenkette

§ 35a Abs. 5 Satz 1, § 33b Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

K, Behinderungsgrad 60, wohnte in einem Seniorenstift. Sie zahlte für altersgerechte Grundversorgung, Krankenpflege mit Notrufbereitschaft und Betreuungspersonal 1.284 EUR, für Schönheitsreparaturen 113 EUR, Reinigung 284 EUR, Gartenpflege 100 EUR, 24 Stunden Bereitschaft 802 EUR, 24 Stunden Besetzung des Empfangs 593 EUR, das waren insgesamt 3.176 EUR. K begehrte für die Leistungen des Wohnstifts (3.176 EUR) die Steuerermäßigung nach § 35a EStG als Pflege- und Betreuungsleistungen im Haushalt. Daneben machte K Kosten für einen Umzug innerhalb des Wohnstifts als haushaltsnahe Dienstleistungen geltend (591 EUR) sowie Renovierungskosten als Handwerkerleistungen (1.375 EUR). Schließlich begehrte sie noch den Behindertenpauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG (720 EUR). Das FA berücksichtigte sämtliche Aufwendungen (5.142 EUR) nach § 35a EStG und ermäßigte die ESt um 1.029 EUR, gewährte aber daneben nicht noch den Behindertenpauschbe­trag. Das FA erläuterte im Bescheid, dass der Ansatz nach § 35a EStG günstiger sei als der Behindertenpauschbetrag. Die dagegen erhobene Klage war teilweise erfolgreich. Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.1.2012, 10 K 338/11, Haufe-Index 7311356, EFG 2012, 1070) wandte § 35a EStG an, kürzte aber den geltend gemachten Betrag um 720 EUR, weil darin auch durch den zu gewährenden Behindertenpauschbetrag abgegoltene Aufwendungen enthalten seien.

 

Entscheidung

Der BFH maß abweichend vom FG, wie unter den Praxis-Hinweisen erläutert, dem Behindertenpauschbetrag umfassende Abgeltungswirkung zu. Er entschied hier in der Sache selbst; nach seinen Berechnungen hätte die ESt 10.196 EUR betragen, die Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung (nur 9.923 EUR) war daher abzuweisen.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil behandelt das Zusammenspiel der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG für Pflegeleistungen und dem Behindertenpauschbetrag (§ 33b Abs. 1 EStG), der teilweise für nämliche Aufwendungen gewährt wird.

1.§ 35a Abs. 2 Satz 1 EStG gewährt eine Steuerermäßigung auch bei Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Kosten der Unterbringung in einem Heim, soweit sie auf Dienstleistungen entfallen, die mit einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind (§ 35a Abs. 2 Satz 2 EStG). Aber:§ 35a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz EStG schließt die Steuerermäßigung zur Vermeidung von Doppelberücksichtigungen aus, soweit solche Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind. Das heißt: die Steuerermäßigung greift nur im Umfang der zumutbaren Belastung (so auch BMF, Schreiben vom 10.1.2014, BStBl I 2014, 75, Tz. 32).

2. Hier wurde allerdings der Behindertenpauschbetrag angesetzt; der wird nicht um die zumutbare Belastung gemindert. Dann – so der BFH – ist die (zusätzliche) Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG ausgeschlossen, soweit es behinderungsbedingte Aufwendungen betrifft. Denn diese sind schon mit dem Pauschbetrag abgegolten; die Abgeltungswirkung ist entgegen dem FG umfassend. Die Aufwendungen gelten vollumfänglich i.S.d. § 35a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz EStG als berücksichtigt.

Beachten Sie: Steuerpflichtige haben ein Wahlrecht, ihre Aufwendungen in der tatsächlichen Höhe nach § 33 EStG geltend zu machen und im nicht berücksichtigten Umfang (zumutbare Belastung) dann die Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu beanspruchen. Die Steuerpflichtigen können also wählen, ob die konkrete Berechnung oder der Behindertenpauschbetrag günstiger ist.

3. Hier hatte K § 33b Abs. 1 EStG gewählt. Nur noch für die Aufwendungen, die typischerweise nicht mit der Behinderung zusammenhingen, und deshalb auch nicht mit dem Behindertenpauschbetrag abgegolten sein konnten, war die Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu gewähren: Schönheitsreparaturen (113 EUR), Reinigungskosten (284 EUR), Gartenpflege (100 EUR), Umzug (591 EUR), Handwer­kerleistungen (1.375 EUR), insgesamt 2.463 EUR. Die übrigen Aufwendungen waren mit dem Pflegepauschbetrag bereits abgegolten, daher schied insoweit eine (nochmalige) Berücksichtigung nach § 35a EStG aus.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 05.07.2014, VI R 12/12

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