Rz. 39

Bei bestimmten Wirtschaftsgütern sowie in bestimmten Konstellationen stehen dem Steuerpflichtigen als Alternative zur Einzelbewertung verschiedene Bewertungsvereinfachungsverfahren im Rahmen der Sachverhaltsabbildung zur Verfügung. Dies sind im Einzelnen die Gruppenbewertung mit dem gewogenen Durchschnittswert (R 6.8 Abs. 4 EStR 2012, § 240 Abs. 4 HGB i. V. m. § 256 Satz 2 HGB),[1] die Festbewertung (R 5.4 Abs. 3 EStR 2012, § 240 Abs. 3 HGB i. V. m. § 256 Satz 2 HGB)[2] sowie die Lifo-Methode (last in, first out; § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG i. V. m. R 6.9 EStR 2012). Tabelle 1 verdeutlicht die jeweiligen sachlichen Anwendungsbereiche und zeigt simultan die bestehenden Wahlrechte zwecks Identifikation steuerbilanzpolitischer Potenziale auf.

 
  Gruppen­bewertung Fest­bewertung Lifo-Methode Einzel­bewertung
(gleichartige)[3] Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe X X X X
gleichartige Wirtschaftsgüter des Vorrats-
vermögens außer Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe[4]
X X X
(gleichartiges/annähernd gleichwertiges) Sachanlagevermögen X X X
sonstige Wirtschaftsgüter X

Tab. 1: Wirtschaftsgüter und zulässige Bewertungsvereinfachungsverfahren

 

Rz. 40

Neben einer stets möglichen Einzelbewertung ist das Wahlrecht zur Gruppen- bzw. Festbewertung in Handels- und Steuerbilanz vor und nach Ergehen des BilMoG einheitlich auszuüben, sodass zwar die Möglichkeit einer Steuerbilanzpolitik, jedoch keiner eigenständigen Steuerbilanzpolitik besteht.[5] Gleiches muss m. E. für den Fall der Einzelbewertung gelten, die auf dem gleichnamigen GoB beruht (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), der via § 5 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG für die Steuerbilanz maßgeblich ist.[6] Demgegenüber bildete die Lifo-Methode vor dem BilMoG einen Anwendungsfall der umgekehrten Maßgeblichkeit,[7] sodass ihre jetzige Inanspruchnahme in der Steuerbilanz losgelöst von der handelsrechtlich gewählten Verbrauchsfolge[8] zu sehen ist und somit die Möglichkeit einer eigenständigen Steuerbilanzpolitik diesbezüglich besteht.[9]

 

Rz. 41

Die Lifo-Methode unterstellt in Einklang mit den GoB,[10] dass die zuletzt angeschafften bzw. hergestellten Wirtschaftsgüter als zuerst verbraucht oder veräußert gelten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 1 EStG). Dabei kommen (für jede gebildete Gruppe) sowohl die permanente als auch die periodische Variante des Lifo-Verfahrens in Betracht (R 6.9 Abs. 4 EStR 2012). Im Fall steigender Einstandspreise ist die Lifo-Methode aus steuerbilanzpolitischer Sicht zu präferieren, da sie zu einem vergleichsweise niedrigeren Bilanzansatz führt, was simultan einem niedrigeren steuerlichen Gewinn entspricht. In diesem Kontext ist der GoB der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) hervorzuheben, wonach insbesondere bei im Zeitablauf sinkenden Einstandspreisen nicht willkürlich, sondern nur mit Zustimmung des Finanzamts vom Lifo-Verfahren zur Gruppenbewertung übergegangen werden darf (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 3 EStG und R 6.9 Abs. 5 Satz 1 EStR 2012).[11] In diesem Fall wird jedoch die Inanspruchnahme des Wahlrechts zu einer Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert trotz Beibehaltung von Lifo zum gewünschten Ergebnis führen, falls die Wertminderung von Dauer ist.[12]

 

Rz. 42

Der Festbewertung liegt die Überlegung zugrunde, dass sich Buchabgänge und -zugänge der infrage kommenden Wirtschaftsgüter (über den Bilanzstichtag hinaus) im Wesentlichen wertmäßig ausgleichen,[13] wobei der Bestand nicht nur in seinem Wert, sondern auch in seiner Größe nur geringen Veränderungen unterliegen soll. Darüber hinaus hat der festbewertete Bestand für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung zu sein, was zutrifft, falls der einzelne Festwert an den dem Bilanzstichtag vorangegangenen 5 Bilanzstichtagen durchschnittlich 10 % der Bilanzsumme nicht überschritten hat.[14] Eine Bestandsaufnahme hat i. d. R. an jedem 3., spätestens an jedem 5. Bilanzstichtag zu erfolgen (R 5.4 Abs. 3 Satz 1 EStR 2012). Hier bietet sich ein zeitliches Hinauszögern der Inventur an, um die Anschaffungskosten der Zugänge (weiterhin) sofort als Aufwand verbuchen zu können. Übersteigt der durch Inventur ermittelte Wert den bisherigen Festwert um max. 10 %, besteht ein Wahlrecht zwischen der Beibehaltung des bisherigen Festwerts und einer Wertaufholung bis zum neu festgestellten Wert (R 5.4 Abs. 3 Satz 5 EStR 2012). Aus steuerbilanzpolitischer Sicht sollte in diesem Fall am ursprünglichen Festwert festgehalten werden, um Zugänge weiterhin buchhalterisch sofort aufwandswirksam und nicht als (erfolgsneutrale) Zugänge zum neuen Festwert behandeln zu können.

[1] Vgl. auch H 6.8 EStR 2012 (Stichwort "Gruppenbewertung").
[2] Vgl. auch H 6.8 EStR 2012 (Stichwort "Festwert").
[3] Mit "Gleichartigkeit" ist entweder eine "Artgleichheit" (gleiche Warengattung) oder eine "Funktionsgleichheit" (gleiche Funktion) gemeint. Keine Gleichartigkeit besteht bei Wirtschaftsgütern mit erheblichen Qualitätsunterschieden, wobei erhebliche Preisdifferenzen Indizien für solche bilden (R 6.9 Abs. 3 Sätze 3–4 EStR 2012).
[4] Z. B. (un-)fertige Erz...

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