Leitsatz

1. Die für eine Poolvereinbarung i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG 2009 erforderlichen Verpflichtungen der Gesellschafter zur einheitlichen Verfügung über die Anteile an einer Kapitalgesellschaft und zur einheitlichen Stimmrechtsausübung können sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder einer gesonderten Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern ergeben.

2. Die Verpflichtung zu einer einheitlichen Stimmrechtsausübung der hinsichtlich der Verfügung gebundenen Gesellschafter kann bei einer GmbH schriftlich oder mündlich vereinbart werden. Nicht ausreichend für eine wirksame Poolvereinbarung ist eine einheitliche Stimmrechtsausübung aufgrund eines faktischen Zwangs, einer moralischen Verpflichtung oder einer langjährigen tatsächlichen Handhabung.

 

Normenkette

§ 13b Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2, § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG 2009

 

Sachverhalt

Der Vater (V) des Klägers hielt eine Beteiligung i.H.v. 12 % am Nennkapital einer GmbH in seinem Betriebsvermögen. Im Gesellschaftsvertrag von 1988 war bestimmt, dass die Abtretung von Gesellschaftsanteilen vorbehaltlich der Einwilligung aller Gesellschafter nur zulässig sein sollte an andere Gesellschafter, deren Ehegatten sowie an Abkömmlinge dieser Personen. Die Abtretung an Ehegatten und Abkömmlinge bedurfte der Genehmigung der Gesellschaft. In der Gesellschafterversammlung vermittelten je 1.000 DM der Geschäftsanteile eine Stimme. V hatte ein höchstpersönliches Stimmrecht in zehnfacher Höhe.

In 2009 verstarb V. Der Kläger erbte das Einzelunternehmen mit dem GmbH-Anteil, dessen Wert 91 % des Wertes des gesamten Betriebsvermögens betrug. Das FA versagte letztlich die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen nach § 13a i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG 2009 mit der Begründung, bei dem GmbH-Anteil handele es sich mangels qualifizierter Beteiligung um Verwaltungsvermögen und dieses Verwaltungsvermögen mache mehr als 50 % des gesamten Betriebsvermögens aus.

Das FG (FG Münster, Urteil vom 9.6.2016, 3 K 3171/14 Erb, Haufe-Index 9693038, EFG 2016, 1530) bestätigte dieses Ergebnis mit der Begründung, es fehle auch an einer "Poolvereinbarung" i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG 2009. Verfügungen über den Gesellschaftsanteil seien nur faktisch beschränkt gewesen. Eine rechtliche Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung fehle gänzlich im Gesellschaftsvertrag.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers ist begründet; die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Zum begünstigten Vermögen gehört nach § 13a i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 2009 auch inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs. Dies gilt nicht, wenn das Betriebsvermögen zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht, § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG 2009. Zum Verwaltungsvermögen gehören auch Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Mindestbeteiligungsquote nicht erreicht wird und die Beteiligung am Nennkapital 25 % oder weniger beträgt, § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 ErbStG 2009. Bei einer derartigen Beteiligungsquote ist aber zu prüfen, ob aufgrund einer Poolvereinbarung die Anteile weiterer Gesellschafter als Poolmitglieder hinzugerechnet werden können.

Im Streitfall ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag eine Verpflichtung zur einheitlichen Verfügung über die Gesellschaftsanteile. Das FG wird jedoch Feststellungen nachzuholen haben, ob nicht auch eine schuldrechtliche Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung gegeben war. Der Gesellschaftsvertrag enthält zwar insoweit keine Vereinbarung. Diese Vereinbarung kann jedoch außerhalb des Gesellschaftsvertrages – möglicherweise auch mündlich – geschlossen worden sein.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall betrifft die erbschaftsteuerliche Privilegierung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (GmbH) im "Streubesitz", wie er z.B. bei Familiengesellschaften vorkommt.

1. Privilegiert bei dem Erwerb von Todes wegen sind nach dem Gesetz grundsätzlich nur qualifizierte Beteiligungen, die dann vorliegen, wenn der Erblasser am Nennkapital der Kapitalgesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war (Mindestbeteiligung). Erst bei Erreichen dieser Grenze geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Beteiligung nicht nur der Kapitalanlage, sondern unternehmerischen Zwecken dient.

2. Wird die Mindestbeteiligungsgrenze nicht erreicht, so besteht die Möglichkeit, die Anteile weiterer Gesellschafter in die Berechnung miteinzubeziehen, wenn diese Gesellschafter zu einem "Anteilspool" gehören. Dies hat im Wesentlichen zur Voraussetzung, dass die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern nur einheitlich auszuüben.

3. Die Mindestbeteiligung hat bei Anteilen an Kapitalgesellschaften, die im Privatvermögen gehalten werden, Bedeutung für die Entscheidung, ob überhaupt begünstigtes Vermögen vorliegt, § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 2009.

Befinden sich die Anteile in ...

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