Sachverhalt

Bei dem britischen Verfahren ging es um Fragen des Leistungsaustauschs beim Verkauf von Telefonkarten. Der Kläger, ein Telekommunikationsunternehmen A verkaufte Telefonkarten an einen anderen Zwischenhändler B, der die Karten an den Endverbraucher E weiter veräußerte. Der einzig mögliche Verwendungszweck der Telefonkarten waren Telefonanrufe.

Der Zwischenhändler B kaufte die Telefonkarten vom Kläger zu einem Preis unterhalb des Nennwerts der Karte und verkaufte sie anschließend im eigenen Namen und für eigene Rechnung weiter. Die Telefonkarten wurden nahezu ausschließlich an Endnutzer im Mitgliedstaat des Zwischenhändlers B verkauft, entweder unmittelbar durch diesen oder durch weitere zwischengeschaltete Händler. Der von dem Zwischenhändler verlangte Wiederverkaufspreis war dem Kläger nicht bekannt.

Die Telefonkarten waren für kostengünstige Anrufe bei Teilnehmer in Drittstaaten bestimmt. Die Gültigkeit der Karten war auf den darauf angegebenen Nennwert und einen bestimmten Zeitraum ab der erstmaligen Verwendung beschränkt. Nach Ablauf dieses Zeitraums wurde ein nicht in Anspruch genommenes Guthaben nicht erstattet. Um einen Gesprächsteilnehmer in einem Drittland zu erreichen, wählte der Nutzer die auf der Karte angegebene lokale Zugangsnummer. Dieser Anruf wurde im Telekommunikationsnetz eines lokalen Telefonanbieters erfasst, mit dem der Kläger zuvor eine Vereinbarung über die Bereitstellung einer oder mehrerer reservierter lokaler Nummern getroffen hatte, und an die Telefonzentrale weitergeleitet, die dem Kläger gehörte und von ihm im Vereinigten Königreich betrieben wurde. Anschließend forderte das automatische Anrufsystem des Klägers den Nutzer auf, den auf der Karte genannten PIN-Code einzugeben. Wenn das automatische Anrufsystem den PIN-Code autorisiert hatte, wählte der Nutzer die internationale Telefonnummer, die er anrufen wollte. Der Anruf wurde daraufhin von Anbietern internationaler Telefondienstleistungen, mit denen der Kläger zuvor ebenfalls Vereinbarungen getroffen hatte, die ihm Zugang zum internationalen Telekommunikationsnetz dieser Anbieter verschafften, an sein Ziel weitergeleitet.

Der Kläger ging für den Verkauf von Telefonkarten an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Zwischenhändler von einer nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e zehnter Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie in dem anderen Mitgliedstaat steuerbaren Telekommunikationsleistung aus, die dem Reverse-Charge-Prinzip (Steuerschuldnerschaft des Zwischenhändlers) unterliege. Der Verkauf der Telefonkarte an den Zwischenhändler stelle keine Telekommunikationsdienstleistung an den Endnutzer der Karte dar, was im Streitjahr nach Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zu einer Steuerbarkeit im Mitgliedstaat der Ansässigkeit des Klägers (hier VK) geführt hätte.

Die britische Finanzbehörde war hingegen die Auffassung, dass der Kläger jedenfalls eine im Vereinigten Königreich steuerbare Telekommunikationsdienstleitung erbringe. Der Kläger führe zwei Dienstleistungen aus, zum einen die "Ausgabe", die zum Zeitpunkt des Verkaufs der Telefonkarte an den Zwischenhändler erfolge, und zum anderen die "Einlösung", die zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verwendung der Telefonkarte durch den Endnutzer erfolge. Die Mitgliedstaaten könnten entweder die erste oder die zweite Leistung besteuern. Im Vereinigten Königreich werde die zweite Leistung besteuert. Steuerbemessungsgrundlage sei derjenige Teil des vom Vertriebshändler an den Kläger gezahlten Betrags, der dem Verhältnis der tatsächlichen Verwendung der Karte durch den Endnutzer zum Nennwert der Karte entspreche.

Das Vorlagegericht wollte wissen, ob der Kläger A mit seinem Verkauf an B zwei Leistungen erbringt, eine zum Zeitpunkt des ursprünglichen Verkaufs der Telefonkarte an B und eine Leistung zum Zeitpunkt der Verwendung durch den Endverbraucher, um Telefongespräche durchzuführen. Für den Fall, dass zwei Leistungen vorliegen, fragte das Gericht, wie dies zu beurteilen ist, wenn Händler B in einem anderen Mitgliedstaat als Händler A ansässig ist und Händler B die Karte an einen Endverbraucher E in Mitgliedstaat B weiterverkauft, der die Karte dazu benutzt, Telefongespräche in einem Drittland zu führen. Das Vorlagegericht fragte sich, ob der Verkauf der Telefonkarte eine Telekommunikationsdienstleistung darstellt, die im Mitgliedstaat A steuerbar ist. Für den Fall, dass dies zutrifft, war sich das Gericht unschlüssig, ob Mitgliedstaat A auf eine an den Endverbraucher E erbrachte Telekommunikationsdienstleistung MwSt erheben kann, wenn nach dem Reverse-Charge-System Mitgliedstaat B Steuer auf den Verkauf der Telefonkarte von A an B erhebt.

Diese Fragen stellten sich im Zusammenhang damit, dass nach Ansicht des Vorlagegerichts einige Mitgliedstaaten die Praxis der Mehrwertbesteuerung von Telefonkarten unterschiedlich handhaben. Daher bestehe das Risiko einer Doppelbesteuerung, wenn die Lieferung von Händler A an Händler B nach dem Reverse-Charge-System besteuert wird und zugleich die Verwend...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge