Leitsatz

1. Ist bei der Emission von gegen Argentinien-Anleihen eingetauschten "Par-Schuldverschreibungen" die Höhe der Kapitalerträge auch von der ungewissen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts der Republik Argentinien abhängig, haben die Schuldverschreibungen keine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG.

2. Eine Besteuerung des Überschusses aus der Veräußerung von gegen Argentinien-Anleihen eingetauschten "Par-Schuldverschreibungen" nach der Marktrendite ist bei verfassungskonformer Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ausgeschlossen, wenn bei dem Veräußerungserlös zweifelsfrei feststeht, dass es sich nicht um ein Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung handelt.

3. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG scheidet aus, wenn der Zeitraum zwischen der Veräußerung der "Par-Schuldverschreibungen" und ihrem Erwerb mehr als ein Jahr beträgt.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger tauschte im Jahr 2005 Staatsanleihen gegen "EO-Units" der Republik Argentinien. Die "EO-Units" wurden – wie dies von vornherein vorgesehen war – am 5.12.2005 in "Par-Schuldverschreibungen" und "GDP-Bonds" getauscht. Für die "Par-Schuldverschreibungen" waren gestaffelte Zinssätze vereinbart worden. Bei den "GDP-Bonds" handelte es sich um Wertpapiere, deren Erträge von der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Republik Argentinien abhängig waren (BIP-gebundene Wertpapiere). Diese wurden zunächst gekoppelt an die "Par-Schuldverschreibungen" ausgegeben und 180 Tage nach dem ersten Abrechnungstag automatisch von diesen getrennt. Danach wurden die BIP-gebundenen Wertpapiere unabhängig von den "Par-Schuldverschreibungen" gehandelt.

Der Kläger veräußerte im Streitjahr 2007 "Par-Schuldverschreibungen" und erzielte einen Veräußerungsgewinn. Das FA erhöhte dementsprechend die Einkünfte aus Kapitalvermögen, weil die Papiere keine Emissionsrendite hätten, sodass der von dem Kläger erzielte Veräußerungserlös gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen sei.

Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Münster vom 23.11.2012, 11 K 3328/10 E, Haufe-Index 3529964, EFG 2013, 219).

 

Entscheidung

Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.

Zwar gehörten von dem Kläger im Jahr 2005 erworbenen "EO-Units" zu den sonstigen Kapitalforderungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG. Die "EO-Units" erfüllten auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2 EStG, da zum Zeitpunkt der Emission die Höhe des Kapitalertrags von einem ungewissen Ereignis abhängig gewesen sei. Bei der Emission seien die "GDP-Bonds", deren Erträge von der Entwicklung des argentinischen BIP abgehangen hätten, an die "Par-Schuldverschreibungen" gekoppelt gewesen. Eine andere Beurteilung folge nicht daraus, dass später die "GDP-Bonds" von den "Par-Schuldverschreibungen" abgetrennt worden seien, denn die Zuordnung von Wertpapieren und Kapitalforderungen zu dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG beschriebenen Typus von Finanzinnovationen hänge von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Emission ab. Es fehle daher an einer Emissionsrendite.

Jedoch habe das FG nicht berücksichtigt, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nur dann anzuwenden ist, wenn das Entgelt für die Kapitalüberlassung und der Vermögenszuwachs rechnerisch nicht eindeutig voneinander abgrenzbar sind. Für die vom Kläger veräußerten "Par-Schuldverschreibungen" sei im Zeitpunkt der Veräußerung eine feste, gestaffelte Zinszahlung vorgesehen gewesen und die BIP-gebundenen Wertpapiere seien bereits vor der Veräußerung von den "Par-Schuldverschreibungen" abgetrennt und unabhängig von diesen gehandelt und veräußert worden. Die von dem BIP der Republik Argentinien abhängige Kursentwicklung der "GDP-Bonds" habe nach der Trennung der Wertpapiere keine Auswirkung auf die Verzinsung und den Börsenwert der "Par-Schuldverschreibungen" mehr gehabt. Danach stehe zweifelsfrei fest, dass es sich bei dem vom Kläger erzielten Veräußerungserlös nicht um ein Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung gehandelt habe.

Da der Zeitraum zwischen der Veräußerung der "Par-Schuldverschreibungen" im Jahr 2007 und ihres Erwerbs im Jahr 2005 mehr als ein Jahr betrage, scheide auch eine Besteuerung gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus.

 

Hinweis

Argentinien-Anleihen sind aus Sicht der Kapitalanleger wie auch aus steuerrechtlicher Sicht bekanntermaßen ein aufregendes Thema. In dem hier zu besprechenden Urteil geht es um ein nachfolgendes Problem, nämlich um die steuerrechtliche Beurteilung von Wertpapieren, die der Anleger gegen Argentinien-Anleihen eingetauscht hat.

1. Veräußerungsgewinne aus solchen Papieren können Einkünft...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge