Leitsatz

1. Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen, die ein Mitglied des Vereinsvorstands gegenüber dem Verein gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erbringt, sind steuerbar.

2. Bei Vorliegen eines eigennützigen Erwerbsstrebens liegt keine ehrenamtliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG vor.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG, Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL, § 176 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger war Präsident des Vorstands eines in der Rechtsform eines Vereins geführten Verbands. Er war nicht einzelvertretungsbefugt. Er arbeitete mindestens 40 Stunden wöchentlich für den Verein.

Nach der Satzung des Vereins waren die Vorstandsmitglieder ehrenamtlich tätig. Auslagen waren ihnen zu erstatten. Der Kläger erhielt eine Aufwandsentschädigung, die im Streitjahr 1999 zunächst monatlich 9 000 DM, später 15 000 DM monatlich betrug. Reisekosten wurden zusätzlich erstattet. Insgesamt erhielt der Kläger im Streitjahr 183 556 DM.

Er gab in seiner USt-Erklärung keine Umsätze aus seiner Tätigkeit für den Verein an. Das FA unterwarf diese Einnahmen der USt.

Das FG wies die Klage ab (FG Hamburg, Urteil vom 24.01.2006, II 274/04, Haufe-Index 1499042, EFG 2007, 1020).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Der BFH bejahte einen Leistungsaustausch und verneinte unter Berücksichtigung des Arbeitsumfangs und der Höhe des Aufwendungsersatzes eine ehrenamtliche Tätigkeit. Da der Kläger nicht einzelvertretungsbefugt war, lagen auch die Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz nicht vor.

 

Hinweis

1. Der Besprechungsfall wirft als Erstes die Frage auf, ob die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen eines Mitglieds eines Vereinsvorstands für seinen Verein überhaupt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG steuerbar sind. Danach unterliegen der USt die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Nach dem BFH-Urteil vom 17.07.1980, V R 5/72 (BStBl II 1980, 622) konnte das Handeln als Organ einer Personengesellschaft nicht Gegenstand eines entgeltlichen Leistungsaustauschs i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG sein. Diese Rechtsprechung hat der BFH ausdrücklich durch Urteile vom 06.06.2002, V R 43/01 (BFH/NV 2002, 1268, BFH/PR 2002, 381, eine Personengesellschaft betreffend) und vom 10.03.2005, V R 29/03 (BFH/NV 2005, 1204, BFH/PR 2005, 264, eine GmbH betreffend) aufgegeben.

Durch die Aufgabe dieser sog. Organwalter-Rechtsprechung ist auch die Rechtsprechung in dem Urteil vom 04.11.1982, V R 4/77 (BStBl II 1983, 156) aufgegeben worden. Danach ist die Tätigkeit eines Kassenarztes als Vorstandsmitglied einer Kassenärztlichen Vereinigung keine sonstige Leistung im Rahmen eines Leistungsaustauschs. Da sich dieses Urteil in seiner Begründung ausschließlich auf das BFH-Urteil vom 17.07.1980, V R 5/72 (BStBl II 1980, 622) stützt, teilt es dessen Schicksal.

2. Leistungen werden nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH regelmäßig auch dann "gegen Entgelt" i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG erbracht, wenn der Betreffende gegen Aufwendungsersatz tätig wird (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 05.12.2007, V R 60/05, BFH/NV 2008, 1072, m.w.N.).

3. Ob ein Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied nichtselbstständig oder als Unternehmer (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG) tätig ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Für die Beurteilung der Selbstständigkeit von Geschäftsführungsorganen ist die inhaltliche Weisungsfreiheit entscheidend. Die Mitglieder eines Vereinsvorstands sind i.d.R. weisungsfrei tätig. Auf ein Unternehmerrisiko kommt es bei den Mitgliedern eines Vorstands ebenso wenig an wie bei Mitgliedern eines Aufsichtsrats. Letztere sind nach der Rechtsprechung des BFH selbstständig tätig (vgl. z.B. Urteil vom 09.10.1996, XI R 47/96, BStBl II 1997, 255).

4. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG für eine ehrenamtliche Tätigkeit sind nicht erfüllt bei einem eigennützigen Erwerbsstreben und einer hauptberuflichen Tätigkeit (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 04.05.1994, XI R 86/92, BStBl II 1994, 773).

5. Nach § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AOdarf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

Wegen der Aufgabe der sog. Organwalter-Rechtsprechung kommt ein Vertrauensschutz dann nicht in Betracht, wenn das betreffende Vorstandsmitglied – wie im Besprechungsfall – nicht einzelvertretungsbefugt war.

Denn diese Rechtsprechung, nach der die entgeltliche Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds nicht steuerbar war, galt nur für das Organ in seiner Gesamtheit, also bei einer Einzelvertretungsbefugnis; sie galt nicht für die Tätigkeit des einzelnen Organmitglieds im Fall eines mehrgliedrigen Organs (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 18.05.1988, X R 57/81, BFH/NV 1989, 262, m.w.N.).

Ob diese Unterscheidung in der früheren Rechtspr...

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