Grundsätzlich steht unionsrechtlich nur dem Leistenden ein Anspruch auf Erstattung von überhöhter Umsatzsteuer zu, die er an das Finanzamt entrichtet hat. Der Leistungsempfänger bleibt grundsätzlich auf den zivilrechtlichen Weg gegen den Leistenden verwiesen. In dem sog. "Reemtsma-Urteil" (EuGH, Urteil v. 15.3.2007, C-35/05) und weiteren Folgeentscheidungen hat der EuGH aber bereits für vergleichbare Konstellationen entschieden, dass in Ausnahmefällen ein unmittelbarer Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers gegenüber der Finanzbehörde (sog. Direktanspruch des Leistungsempfängers an das Finanzamt) besteht, wenn die Erstattung auf anderem Wege "unmöglich" oder "übermäßig" erschwert wird. Laut EuGH-Urteil in der Rs. Schütte besteht ein unmittelbarer Erstattungsantrag gegen die Steuerbehörde, wenn es dem Empfänger allein aufgrund der Einrede der Verjährung durch den Lieferer unmöglich sei, von diesen diese Erstattung einzufordern. Der Direktanspruch bestehe auch, wenn der Leistende noch die Möglichkeit habe, bei sich eine Korrektur des unrichtigen Steuerausweises vorzunehmen. Dabei wies der EuGH darauf hin, dass die Steuerbehörde bei Nichterstattung innerhalb einer angemessenen Frist auch einen etwaigen Liquiditätsnachteil auszugleichen habe (EuGH, Urteil v. 7.9.2023, C-453/22).

 
Hinweis

Beim EuGH ist ein weiteres Verfahren unter dem Az. C-83/23 anhängig (BFH, Vorlagebeschluss v. 3.11.2022, XI R 6/21, BFH/NV 2023 S. 395). In diesem Fall wurde dem Leistungsempfänger zutreffend der Vorsteuerabzug verweigert (fehlerhafter Ausweis von deutscher statt italienischer Umsatzsteuer durch den Leistenden). Zwar führte der leistende Unternehmer die unrichtig in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an sein Finanzamt ab und korrigierte die Rechnung. Die als Teil des Leasingbetrags mitentrichtete Umsatzsteuer erhielt der Leistungsempfänger jedoch von dem leistenden Unternehmer aufgrund dessen Insolvenz nicht mehr erstattet. Nun hat der EuGH zu klären, ob der Fiskus dem Leistungsempfänger diesen Betrag im Wege des Direktanspruchs zu erstatten hat.

Betroffene Steuerpflichtige sollten prüfen, entsprechende Erlassanträge zu stellen bzw. vor dem Hintergrund des anhängigen Verfahrens ihren Fall offenzuhalten.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge