Leitsatz

1. Sind Versorgungsbezüge in Höhe eines festen Betrages zugesagt, der im Verhältnis zu den Aktivbezügen am Bilanzstichtag überhöht ist (sog. Überversorgung), so ist die nach § 6a EStG zulässige Rückstellung für Pensionsanwartschaften nach Maßgabe von § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG unter Zugrundelegung eines angemessenen Vomhundertsatzes der jeweiligen letzten Aktivbezüge zu ermitteln. Eine Überversorgung ist hiernach regelmäßig anzunehmen, wenn die Versorgungsanwartschaft zusammen mit der Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % der am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des BFH).

2. Eine Überversorgung ist aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig auch dann gegeben, wenn die Versorgungsanwartschaft trotz dauerhaft abgesenkter Aktivbezüge unverändert beibehalten und nicht ihrerseits gekürzt wird. Darauf, ob die Kürzung der Anwartschaft nach arbeitsrechtlichen Maßgaben zulässig ist, kommt es nicht an.

 

Normenkette

§ 6a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG

 

Sachverhalt

Gesellschafter der 1991 errichteten GmbH waren in den Streitjahren zu jeweils 11 % acht Personen, die dort zugleich als Arbeitnehmer (einer davon auch als Geschäftsführer) angestellt waren. Die übrigen 12 % des Stammkapitals hielt die GmbH als eigene Anteile selbst.

In 1994 gewährte die GmbH ihren acht Gesellschafter-Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Pensionszusage. Jene war mit einer monatlichen Versorgung von 4.000 DM ab Vollendung des 65. Lebensjahres so bemessen, dass die Pension in jedem Einzelfall weniger als 75 % der seinerzeit aktuellen Aktivbezüge der Zusagebegünstigten betrug. Das FA erkannte die für die Pensionszusagen gebildete Rückstellung in der Bilanz der GmbH zunächst dem Grunde und der Höhe nach an.

In 2000 geriet die GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Daraufhin beschloss die Gesellschafterversammlung, die laufenden Gehälter der acht Ge­sellschafter-Arbeitnehmer um jeweils 20 % (unter entsprechender Anpassung der Arbeitszeit) zu senken; die Pensionszusagen wurden nicht gekürzt. Im Verhältnis zu den abgesenkten Aktivbezügen lag die Pension seitdem in sechs Fällen bei mehr als 75 % der Aktivbezüge. Zu einer wirtschaftlichen Erholung der GmbH kam es – abgesehen von 2001 – bis zur späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr.

Das FA kürzte den bislang angesetzten Wert der Pensionsrückstellung wegen Überversorgung. Die hiergegen erhobene Klage war erfolgreich (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.6.2011, 12 K 12274/09, Haufe-Index 2742823, EFG 2011, 1992).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Die steuerliche Sperre der Überversorgung wirke absolut und verhindere den vollen Wertansatz der Pensionsanwartschaft. Das gelte jedenfalls dann, wenn sich eine zunächst vorübergehende Gehaltsabsenkung als "Überversorgungsmaßstab" als faktisch dauerhafte Gehaltsabsenkung entpuppe.

 

Hinweis

Einmal mehr musste der BFH sich mit einer Frage im Zusammenhang mit dem Komplex der sog. überversorgenden Pensionsanwartschaft beschäftigen.

1. Der BFH trennt wie allseits bekannt zwischen den bilanziellen Vorgaben des § 6a EStG einerseits und den spezifisch körperschaftsteuerlichen Folgen der vGA andererseits. Beide Prüfungen nimmt er auf zwei (hintereinandergeschalteten) Stufen vor.

Vor diesem Hintergrund der sog. Zwei-Stufen-Prüfung bekräftigt der BFH wiederum seine Rechtsprechung zur sog. Überversorgung, die er in der Stichtagsregelung für die Teilwertermittlung der Rückstellung in § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 4 EStG verortet. Typisierend wird angenommen, dass die Anwartschaft steuerlich nicht mehr als 75 % des letzten Aktivlohns des Begünstigten am Bilanzstichtag ausmachen darf. Dazu kann an dieser Stelle auf das BFH-Urteil vom 9.11.2005, I R 89/04, BFH/NV 2006, 456, BFH/PR 2006, 95 verwiesen werden.

2. Der "Ruch" der Überversorgung entsteht sofort, wenn besagter Maßstab nicht mehr eingehalten wird, was häufig bei Gehaltsabsenkungen der Fall ist, die durch eine wirtschaftliche prekäre Situation des Zusagenden veranlasst sind. Ist eine solche Gehaltsabsenkung nur vorübergehend – was sich wohl auf einen Zeitraum von nur wenigen Monaten taxieren lassen wird –, dann ist das nicht weiter von Arg. Das bisherige Anwartschaftsniveau bleibt dann auch aus steuerlicher Sicht unangefochten.

Richtig "schlimm" sieht es aber aus, wenn sich die Gehaltsabsenkung als eine dauerhafte entpuppt. Dann bleibt es ohne Wenn und Aber bei den besagten Überversorgungsgrundsätzen: Die 75 %-Berechnung orientiert sich an der "neuen" abgesenkten Bemessungsgrundlage. Diese schlägt auf den hinnehmbaren steuerlichen Teilwertansatz für die Pensionsanwartschaft durch. Die Pensionsrückstellung ist bilanziell zu kürzen bzw. erfolgswirksam aufzulösen.

3. Dagegen ließe sich nun vielleicht einwenden, die Kürzung der zugesagten und verdienten Anwartschaft kollidiere mit arbeitsrechtlichen Möglichkeiten und lasse sich zivilrechtlich kaum d...

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