Zusammenfassung

  • Um mit einer extremen Unsicherheit umzugehen, bedarf es der Betrachtung unterschiedlicher Szenarien im Sinne alternativer Zukunftsentwürfe für das Unternehmen, einschließlich der zugehörigen Maßnahmenpläne.
  • Mit dem richtigen Geschäftsverständnis und einem leistungsstarken Simulationsmodell bietet die Szenarien-Modellierung dem Unternehmen klare Wettbewerbsvorteile.
  • Für das Controlling steigen die Chancen, die regelmäßig angestrebte Business-Partner-Rolle zu erreichen oder zu verstärken.
  • Der Beitrag beschreibt anschaulich die aktuelle Notwendigkeit für Szenarioanalysen und gibt Empfehlungen für den effektiven Einsatz in der Praxis.[1]
[1] Der Beitrag erschien erstmalig im Controller Magazin, Ausgabe September 2020.

1 Warum die Modellierung von Szenarien essenziell für die Unternehmenssteuerung ist

In Krisen wie der aktuellen Coronavirus-Krise zeigt sich deutlich, dass die Zukunft nicht immer eine Fortschreibung der Vergangenheit ist; auch ausgefeilte Fortschreibungslogiken auf Basis von Predictive Analytics scheitern bei einer solchen Disruption. Kritische Stimmen behaupten dann regelmäßig, dass in Zeiten hoher Unsicherheit Planung nicht sinnvoll sei. Richtig ist, dass Planung – verstanden als eindimensionale Zukunftsbetrachtung – hier wenig Nutzen stiftet. Um mit einer extremen Unsicherheit umzugehen, bedarf es der Betrachtung unterschiedlicher Szenarien im Sinne alternativer Zukunftsentwürfe für das Unternehmen, einschließlich der zugehörigen Maßnahmenpläne.

Die Modellierung von Szenarien hilft nicht nur beim Umgang mit hoher Unsicherheit und in Krisenzeiten, sondern sollte generell im Planungsansatz der Unternehmen verankert sein. Auch wenn die kurz- bis mittelfristige Zukunft absehbar erscheint, zwingt die Szenarien-Betrachtung zu einem Denken in Alternativen einschließlich eines "Worst Case". Auf diese Weise erhält das Unternehmen immer proaktive Handlungsmöglichkeiten, die schnelle Reaktionen erlauben. Dies erhöht die Wettbewerbsfähigkeit und senkt das Risiko des Unternehmens; man kann durchaus argumentieren, dass eine solche regelmäßige Szenarien-Betrachtung das effektivste aller Risikomanagement-Instrumente ist!

Schließlich unterstützen Szenarien konkrete Entscheidungen über wichtige operative und strategische Maßnahmen. So sollte die Maßnahmenwirkung standardmäßig immer vor dem Hintergrund unterschiedlicher Entwicklungen diskutiert werden. Maßnahmen, die nur in einem Szenario positiv wirken, sollten kritisch betrachtet werden. Auf diese Weise können Unternehmen verstärkt Resilienz aufbauen, was über eine geringere Ergebnisvolatilität auch zu einem höheren Unternehmenswert führt.[1]

Abb. 1: Nutzen der Etablierung einer standardgemäßen Szenarien-Modellierung in der Unternehmenssteuerung

[1] Vgl. dazu ausführlicher Gleißner, 2018.

2 Warum die Modellierung von Szenarien dennoch häufig kein Standard-Instrument ist

Die hohe Bedeutung von Szenario-Betrachtungen wird nicht nur in Krisenzeiten für alle sichtbar, sondern generell geteilt. So maßen beispielsweise in der CFO Studie 2019 von Horváth & Partners 84 % der Teilnehmer dem umfangreichen Einsatz von Simulationsfunktionalitäten zur Bildung von Szenarien eine hohe Bedeutung zu. In der Praxis aber sind die Szenarien-Modelle der Finanzkrise 2008 in vielen Unternehmen in den Folgejahren schnell wieder verschwunden. Nur wenige Unternehmen haben Szenarien-Modelle tatsächlich in ihrer Steuerung verankert. Wenn Szenarien vorkommen, dann meist in Form finanzieller Sensitivitätsanalysen ohne konkreten Maßnahmenbezug.

Ein zentraler Grund für diesen Befund ist, dass die Modellierung von Szenarien in der Regel als separates Projekt aufgesetzt wird. Als solches ist die Szenarien-Modellierung nicht in die Regelprozesse eingebunden und häufig sehr aufwendig, da sie in separaten Tools (fast immer Microsoft Excel) und durch separate Projektteams erfolgt. Reduziert sich die wahrgenommene Unsicherheit wieder, so wird der aufwendige Parallelbetrieb eingestellt.

Ein weiterer Grund dürfte zumindest teilweise fehlendes Know-how und ein falsches Verständnis einer Szenarien-Planung sein. In der Literatur (und den Empfehlungen vieler "Strategieberatungen") wird der Fokus auf die Aufstellung strategischer, größtenteils qualitativer Szenarien gelegt. Diese Ausrichtung führt häufig zu komplexen, teilweise sehr akademischen Modellen mit hohem Aufwand und begrenztem Mehrwert. Wir empfehlen demgegenüber ein pragmatisches Verständnis einer Szenarien-Planung, die sowohl Kurz- als auch Mittelfrist abdeckt und ihren Schwerpunkt in quantitativen Betrachtungen hat.

2.1 Leistungsstarkes treiberbasiertes Simulationsmodell als Kernvoraussetzung

Kernvoraussetzung für die Modellierung von Szenarien ist ein Simulationsmodell, das

  • einerseits einfach zu bedienen ist, andererseits auch komplexe Sachverhalte abbilden kann;
  • bei Veränderung von Eingangsgrößen direkt die Auswirkungen auf die zentralen Steuerungsgrößen aufzeigt;
  • in sich konsistent ist und fachlich korrekte Ergebnisse liefert und
  • flexibel anzupassen und zu erweitern ist.

Abb. 2: Aufbau des Modells – Grundlogik und zentrale Komponenten

Für den Aufbau von Simulationsmodellen bildet ein "Base case" bzw. Basis-Szenario den Ausgangspunkt. Dieses kann sowohl eine existierende Planung sein als auch...

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