Rz. 52

Eine Pflicht zur Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowohl nach § 285 Nr. 4 HGB sowie § 314 Abs. 1 Nr. 3 HGB besteht nur dann, wenn sich die Tätigkeitsbereiche untereinander erheblich unterscheiden. Die Unterschiede müssen sich auf die Risiken der jeweiligen Bereiche bzw. Märkte beziehen und erhebliches Gewicht haben.[1] Die Unterschiedlichkeit beurteilt sich im Einzelnen nach Abweichungen bei der Art der Produkte, dem Abnehmerkreis, den Marktverhältnissen, der Kostenstruktur, der Forschungsintensität und den Konkurrenzverhältnissen.[2]

 

Rz. 53

Beispiele für Abgrenzungsmerkmale, anhand derer Tätigkeitsbereiche identifiziert werden (können), sind:[3]

  • Art des Produkts bzw. der Produktgruppe (Produkte für ähnliche oder verwandte Anwendungsgebiete, -zwecke),
  • Art des Produktionsprozesses (gleiche oder ähnliche Produktionsverfahren, ähnliche Rohstoffe),
  • unternehmensorganisatorische Einheiten (z. B. Unternehmensbereiche, Sparten, Profit-Center, Produktstandort),
  • Kundengruppen (z. B. Weiterverarbeiter bzw. -veräußerer oder Endverbraucher, Groß- oder Kleinabnehmer, regionale Standorte, Wirtschaftszweig),
  • Vertriebswege (stationärer Handel, Internet-Handel, Direktvertrieb).

Bei der konkreten Einteilung des Unternehmens in Tätigkeitsbereiche ist jedoch aufgrund des Gesetzeswortlauts die Verkaufsorganisation stets zu berücksichtigen. Die im Gesetz genannte Berücksichtigung der Verkaufsorganisation bei der Umsatzaufgliederung deutet darauf hin, dass insbesondere produkt- und absatzbezogene Merkmale für die Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche heranzuziehen sind, da sie Anhaltspunkte für mögliche Absatzrisiken liefern.[4]

Ohne Zweifel gibt es in der Praxis viele Grenzfälle, in denen es fraglich ist, ob sich die Tätigkeitsbereiche wirklich "erheblich unterscheiden". Hier gibt es für das abschlusserstellende Unternehmen Ermessensspielräume, die auch unter bilanzpolitischen Aspekten genutzt werden können.

Weiterhin ist bei Anwendung der Aufgliederungskriterien der Stetigkeitsgrundsatz des § 265 Abs. 1 Satz 1 HGB zu beachten, da andernfalls die Angabe die Funktion der Informationsvermittlung nicht ausreichend erfüllen kann. Die Kriterien der Aufgliederung (der Umsätze nach Tätigkeitsbereichen) sind daher nicht ohne hinreichende Gründe zu ändern. Ebenso ist die Form der Darstellung grundsätzlich beizubehalten.[5]

 

Rz. 54

Die Pflicht zur regionalen Aufgliederung der Umsatzerlöse setzt ebenfalls erhebliche Unterschiede voraus. Die Aufgliederung erfolgt hierbei nach unterschiedlichen Absatzgebieten; hierfür spricht insbesondere auch die Formulierung des Gesetzestextes, der den Terminus "geografisch bestimmte Märkte" verwendet. Das bezieht sich hauptsächlich auf die Marktkonditionen, die Währungsverhältnisse sowie allgemein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse. Ebenso wie für die Aufgliederung nach Tätigkeitsbereichen ist der Stetigkeitsgrundsatz zu beachten.[6]

Als geographisch abgegrenzte Märkte kommen u. a. Kontinente, wirtschaftlich gemeinsam auftretende Ländergruppen (insbesondere Wirtschaftsräume) oder einzelne besonders bedeutsame Staaten in Betracht. Hinsichtlich der Aufgliederung kann zunächst das Inland als einheitlicher geographischer Markt abgegrenzt werden. Eine Unterteilung der Umsätze in Inland und Ausland kann nur in Einzelfällen dann für die geforderte Aufteilungspflicht ausreichen, wenn die Auslandsumsätze insgesamt nur gering sind.[7]

Je bedeutender die Auslandsumsätze am Gesamtumsatz des Unternehmens sind, umso detaillierter muss die regionale Unterteilung erfolgen. Bei weltweit operierenden Unternehmen könnte eine Aufteilung in folgende Regionen vorgenommen werden: Inland (Deutschland), EU-Länder, übriges Europa, Nordamerika, Südamerika, Asien, Afrika und Australien,[8] ggf. mit weitergehender Untergliederung besonders bedeutender Kontinente (z. B. China, Indien, Vorder- und Mittelasien, übriges Asien). Dagegen könnten sich überwiegend in Europa tätige Unternehmen mit der Aufteilung Deutschland, EU-Länder, übriges Europa und übrige Welt im Regelfall begnügen.

 

Rz. 55

Die Literatur empfiehlt sowohl bei der Aufteilung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen als auch nach Regionen als quantitativen Maßstab einen Grenzwert für den Umsatzanteil je Segment von ca. 10 % unter der Voraussetzung, dass durch die Segmentierung mindestens 75 % des Gesamtumsatzes erklärt werden können.[9]

[1] Vgl. Selchert, BB 1986, S. 562.
[2] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995-2000, § 285 HGB Rz. 90/91.
[3] Vgl. Grottel u. a., Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 285 HGB Rz. 175; Wulf, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, Rz. 75, Stand: 10/2021.
[4] Vgl. Kupsch, in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen, Abt. IV/4 Rz. 164, Stand: 2004.
[5] Vgl. Wulf, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, Rz. 74, Stand: 10/2021.
[6] Vgl. Rz. 53.
[7] Vgl. Kupsch, in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschluss...

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