Rz. 16

Hinsichtlich des konzeptionellen Vorgehens bei der Datenermittlung auf Segmentebene können 3 Dimensionen unterschieden werden:[1]

  • Bezugsobjekt für die Datenermittlung auf Segmentebene
  • Hierarchieebene für die Datenermittlung der Segmente
  • Bilanzierungs- und Bewertungsmaßstäbe für die Segmentdaten
[1] Vgl. Hahn, in Kirsch, Handbuch Rechnungslegung, Fach 5 Segmentberichterstattung, Rz. 23 ff., Stand: 5/2022.

2.3.1 Autonomieansatz vs. Disaggregationsansatz

 

Rz. 17

Nach dem gewählten Bezugsobjekt für die Datenermittlung auf Segmentebene kann man den autonomous entity approach (Autonomieansatz) und den disaggregation approach (Disaggregationsansatz) unterscheiden.

Dem Autonomieansatz liegt die Fiktion wirtschaftlicher Selbstständigkeit der einzelnen Segmente zugrunde. Dies bedeutet, dass im Falle des Vorliegens von Verbundbeziehungen zwischen Segmenten nicht die auf Ebene des Gesamtunternehmens bzw. Konzerns angefallenen Werte – mit welcher Zurechnungskonvention auch immer – auf die Segmente verteilt werden; stattdessen sind den Segmenten diejenigen Werte zuzurechnen, die entstünden, falls das Segment wirtschaftlich von den anderen Segmenten unabhängig wäre. Dies führt insbesondere bei gemeinsam genutzten Vermögenswerten oder gemeinsam angefallenen Aufwendungen zur Zurechnung von mehr oder weniger hypothetischen Werten auf die Segmente[1]; vorteilhaft ist jedoch an diesem Ansatz, dass grundsätzlich eine bessere externe Vergleichbarkeit der Segmentdaten ermöglicht wird.[2] Weiterhin werden tatsächlich bei der berichtenden Einheit vorliegende Synergiepotenziale nicht berücksichtigt, sondern bewusst eliminiert.[3]

 

Rz. 18

Dagegen teilt der Disaggregationsansatz die tatsächlich angefallenen Gesamtunternehmenswerte bzw. die konsolidierten Wertansätze des Konzernabschlusses auf die Segmente auf.[4] Hierbei werden Interdependenzen sowie Synergieeffekte aus der gemeinsamen Ressourcennutzung nicht – wie beim Autonomieansatz – ignoriert, sondern bewusst in die Betrachtung miteinbezogen.[5]

Falls eine verursachungsgerechte Zurechnung auf die Segmente nicht möglich ist, werden die nicht direkt zurechenbaren Werte mittels eines vernünftigen und nachvollziehbaren Schlüssels aufgeteilt.[6] Allerdings können – insbesondere bei Anwendung des management Approach – einzelne nicht mittels einer vernünftigen Schlüsselgröße aufteilbare Konzern- bzw. Unternehmenswerte in einer separaten Gruppe (nicht auf die Segmente verteilte Werte) zusammengefasst und entsprechend ausgewiesen werden.[7]

 

Rz. 19

 
Praxis-Beispiel

Ein Unternehmen ist in mehrere Segmente aufgeteilt. Das Unternehmen hat ein Hauptverwaltungsgebäude, das zentrale Funktionen für alle Segmente erfüllt.

Nach dem Autonomieansatz sind die Aufwendungen (und entsprechend das Vermögen) auf die Segmente zuzurechnen, welche für die Erfüllung der Zentralverwaltungsaufgaben erforderlich gewesen wären, falls die Segmente voneinander völlig unabhängig operieren würden. Dies bedeutet, dass für die einzelnen Segmente ein zur Erledigung ihrer auf einer Stand-alone-basis erforderlichen Verwaltungsaufgaben adäquates Gebäude konfiguriert wird und die hierfür hypothetisch entstehenden Aufwendungen den einzelnen Segmenten zugeordnet werden.[8]

Nach dem Disaggregationsansatz sind 2 Lösungsmöglichkeiten vorstellbar: Entweder werden anteilige Aufwendungen und Vermögenswerte auf die Segmente mit einem bestimmten Schlüssel zugerechnet oder die Aufwendungen bzw. Vermögenswerte werden als Gesamtunternehmensaufwendungen bzw. Gesamtunternehmensvermögen gesondert mit anderen ebenfalls zentral anfallenden Aufwendungen und zentral verwalteten Vermögenswerten ausgewiesen, z. B. Ausweis unter "Zentralaufwendungen" bzw. "Unternehmens- bzw. Konzernvermögen" oder unter "Sonstiges".

 

Rz. 20

Sämtliche gegenwärtig aktuellen Rechnungslegungsstandards basieren auf dem Disaggregationsansatz.[9] Dies ist sicherlich dadurch erklärbar, dass die als Teil des IFRS- oder HGB-Abschlusses veröffentlichten Segmentdaten auch der Prüfungspflicht unterliegen und hypothetische Werte des Autonomieansatzes selten objektivierbar und nachprüfbar sind.

[2] Vgl. Haller, in Haller/Raffournier/Walton, Unternehmenspublizität im internationalen Wettbewerb, 2000, S. 767; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 938.
[5] Vgl. Orth/Sultana, in Böcking u. a., Beck´sches Handbuch der Rechnungslegung, C 630 Rz. 45, Stand: 3/2022.
[6] Dieses Aufteilungsproblem ist im Kern verwandt mit der Frage nach der Aufteilung von ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge