Nach § 240 HGB und § 242 HGB müssen Kaufleute[1] ihre Vermögensgegenstände am Ende des Geschäftsjahrs in eine Bilanz aufnehmen. Grundsätzlich ist dies der Fall, wenn sie Eigentum am Gegenstand erworben haben. Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut so aus, dass der Eigentümer keine Gewalt über das Wirtschaftsgut hat, ist das Wirtschaftsgut diesem anderen zuzurechnen[2]. Steuerlich ist ein Gegenstand bei dem zu bilanzieren, der die "Verfügungsmacht" über diesen besitzt.

 
Praxis-Beispiel

Bilanzierung von mit normalem Kaufvertrag erworbener Ware

Lieferant L verkauft am 23.12. Textilien an Einzelhändler K. L versendet auf Verlangen des K die Waren am 28.12., bei K kommen sie am 3.1. des Folgejahres an. L und K haben keinerlei Vereinbarungen bzgl. des Eigentumsübergangs getroffen.

Lösung:

Handelsrechtlich ist der Gefahrenübergang auf K erfolgt[3] , der jedoch mangels Übergabe der Ware an ihn noch nicht Eigentümer geworden ist[4].

Steuerrechtlich stellt sich die Rechtslage so dar: Am Bilanzstichtag 31.12. hat K noch keine Verfügungsmacht über die Waren[5]. In der Bilanz zum 31.12. ist bei L eine Forderung zu erfassen, K bilanziert einen Lieferanspruch und eine gleich hohe Kaufpreisverbindlichkeit. Die Ware selbst wird weder bei L noch bei K bilanziert.

Dauert die Versendung länger – z. B. bei Seefracht –, besteht ein Interesse, den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs abweichend vom Ankommen der Ware beim Empfänger zu regeln. Wenn Ware nicht an den Betriebssitz des Käufers verbracht werden soll, sondern z. B. in einem (auch ausländischen) Zolllager[6] den Eigentümer wechseln soll, muss es Regelungen geben, den Besitz bzw. das Eigentum übergehen zu lassen. Das Handelsrecht sieht hierzu die sog. "Orderpapiere" nach § 363 HGB, z. B. das Konnossement, vor.

 
Hinweis

Was ist ein Orderpapier?

Bei einem Orderpapier handelt es sich um ein "Wertpapier", in dem der Aussteller zusagt, an einen Kaufmann Wertpapiere oder andere vertretbaren Sachen, z. B. Waren, zu liefern. Es enthält den Vermerk "an Order". Durch den "an Order"-Vermerk kann das Wertpapier durch Indossament (unterschriebene Weitergabevermerke) übertragen werden.

Das Konnossement dient im Falle der Versendung mittels Frachtführer zum Eigentumsübergang. Es enthält u. a. den Namen des Verfrachters, den Namen des Empfängers, den Abladungshafen und die Art der zur Beförderung übernommenen Güter, deren Maß, Zahl oder Gewicht, ihre Merkzeichen und ihre äußerlich erkennbare Verfassung und Beschaffenheit.

Sobald der Verfrachter die Güter zur Beförderung übernommen hat, wirkt die Übergabe des Konnossements an den Käufer wie die Übergabe der Güter an ihn[7], d. h. durch Übernahme des Konnossementpapiers wird Eigentum erworben.

 
Praxis-Beispiel

Bilanzierung von mit Orderpapier erworbener Ware

Der deutsche Kaufmann E kauft am 1.12. Kaffee von einem Händler in Brasilien. Die Versendung per Schiff erfolgt am 10.12. Über die Lieferung wird ein Konnossement ausgestellt. Das Konnossement geht E am 27.12. zu. Den Kaffee erhält er am 30.1. des Folgejahres.

Lösung:

Mit der Übergabe des Konnossements gilt der Eigentumsübergang als bewirkt. E muss in seiner Bilanz zum 31.12. den Kaffee als Aktivposten und die Kaufpreisschuld als Verbindlichkeit ausweisen.[8]

Wird noch nicht erhaltene Ware weiterveräußert, ist wie folgt zu verfahren:

 
Praxis-Beispiel

Bilanzierung bei Weiterverkauf von noch nicht gelieferter Ware

Importeur I kauft am 2.12. eine Ladung Kaffee aus Brasilien. Bereits am 8.12. veräußert er diese Ladung an den Großhändler B in Bremen. Die Ware wird am 10.12. in Brasilien verschifft, kommt am 15.1. in Bremen an und wird dort eingelagert. Über das Warengeschäft wird ein Konnossement ausgestellt. Dieses wird zunächst von der finanzierenden Bank verwahrt und bei Bezahlung am 20.2. an I übergeben. Großhändler B erhält von I am 25.2. einen Auslieferungsschein.

Lösung:

Am Bilanzstichtag 31.12. ist I weder im Besitz der Ware noch Inhaber des Konnossements. I ist weder Eigentümer noch mittelbarer Besitzer. Damit darf er die Ware nicht bilanzieren.[9]

Großhändler B hat zwar den Kaufvertrag vor dem 31.12. abgeschlossen, erhielt aber weder Konnossement noch die Ware vor dem Bilanzstichtag. Damit ist kein Bilanzansatz zum 31.12. möglich. Erst mit Übergabe des Auslieferungsscheins am 25.2. erhielt er Verfügungsmacht über die Ware.[10]

[1] Liegt steuerlich keine Buchführungspflicht gem. § 140 AO und § 141 AO vor, werden aber dennoch Bücher geführt, gelten für das Steuerrecht die handelsrechtlichen Vorschriften (R 4.1 Abs. 2 EStR und § 5 EStG).
[5] § 39 AO; K ist auch (noch) kein wirtschaftlicher Eigentümer, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO.
[6] Das Zolllager dient der Zwischenlagerung von Import-/Exportwaren. Solange sich die Waren im Zolllager befinden, fallen i. d. R. keine Zölle bzw. Einfuhrabgaben (z. B. Einfuhrumsatzsteuer) an.
[7] § 524 HGB (Wirkung der Konnossementübergabe).
[8] H 5.3 "Zeitliche Erfassung von Waren" EStH.
[9] BF...

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